Alkor - Tagebuch 1989
ein Wunder, daß«Echolot»vom Verlag offenbar akzeptiert wird. Sie denken vielleicht, das wird so eine Art«Kulturfahrplan», und der hat ja riesige Auflagen gehabt.
Das Archiv: Großlösung Hannover rührt sich nicht vom Fleck. Ich müßte irgendwie antichambrieren, vielleicht erwarten sie das? - Aber wo? Dauernd alle Leute antelefonieren und auf meine Seite ziehen? - Mich hält Abergläubisches zurück. Vielleicht ist es besser, sie gehen auf mein Angebot nicht ein, dann kann ich später sagen: Ich war sehr verletzt.
Die Leute in Hagen sind beleidigt. Platow wollte hier in den Fotos kramen. Ich:«Bitte jetzt nicht, Ende Juni meinetwegen.»Ja, aber er braucht die Fotos doch dringend. - Fechner hätte gesagt:
« Ihr Problem.»
Für das«Echolot»kamen gute Ami-Texte aus Provo. Ich lasse sie auf Englisch stehen.
Keine Ahnung, wohin es treibt mit M/B. Die Leitidee,«Variationen über Grausamkeit», hält alles zusammen. Ich las heute in«Herzlich willkommen»noch einmal das Locarno-Kapitel:«Variationen über Liebe». Niemand wird auf die Idee kommen, darin ein Pendant zu sehen. - Von Hark Bohm höre ich nichts. Vermutlich schneidet er bereits den Film, ich habe davon noch keinen Meter gesehen.
Todesanzeigen lesen: Das ist ein Zeichen des Alterns. Tante Mieke las auch immer die Todesanzeigen zuerst.« Herr Höcherl»sei gestorben, gibt seine Familie bekannt. - Ich hab’ eine Sammlung besonders schöner Exemplare. Besonders die Adeligen gefallen mir, unter deren phantastischen Namen dann immer ein Herr Schmidt auftaucht.
Einladung zum Bush-Besuch abgesagt, alles zuviel.
Ein Buch über die Ukraine 1933.«Ernte des Todes», von Robert Conquest.
Arthur Koestler sah aus einem Zugfenster verhungernde Kinder, die«aussahen wie Embryonen, die man aus Alkoholflaschen herausgenommen hat», oder, wie er es anderswo ausdrückt:«Die Stationen waren umgeben von bettelnden Bauern mit geschwollenen Händen und Füßen …»
Und so weiter. Das eine ist das Verbrechen der Bolschewisten, dem Millionen von Ukrainern zum Opfer fielen, das andere, daß man es im Westen (bis heute!) nicht wahrhaben wollte oder schönfärbte. Die Berichte dazu benutzte, um die Zeugen zu denunzieren.
Frau Schönherr erzählte, daß sie damals ihre Kuh ins Schlafzimmer gestellt haben, damit sie nicht gestohlen wird. Ihr Vater ist offenbar erschossen worden, wollte in der Stadt was kaufen oder verkaufen und kam nie wieder.
Drucker funktioniert nicht. Ich hätte gleich ein Laser-Dings kaufen sollen: allein der Lärm, wenn der loslegt! - Der Computermann kam und brachte das Taschengerät, das man an die Rasenmäherschnur angeschlossen im Garten benutzen kann, einen Laptop oder wie das heißt. Sehr einfach. Das Gerät habe die Firma
«nachgeschoben»,«Olivetti»also, weil andere Firmen auch so ein Gerät herausgebracht haben. Wir knobelten spezielle Tricks auf der großen Maschine aus. Sehr praktische Spalten-Sache, die für meine Arbeit an M/B gut zu gebrauchen ist. Der kommentierte Roman. Das Wunder Gottes. Was alles so dahintersteckt. Die Menge, ja«Masse»von Klein-Ideen, die für einen Roman nötig sind.
Noch weiter über Balzacs Großkonstruktion. Die Mischung aus Romanen und Essays.
Ein Leser aus Karlsruhe beschwert sich, daß ich mit ihm nicht in Gedankenaustausch eingetreten bin.
Aus dem Haus Staubsaugergeräusch.
Gestern wurde ich im Mittagsschlaf gestört vom WDR, der mich um halb 2 Uhr anrief. Was für ein Verfall der Sitten!
Gestern und vorgestern wartete ich lange auf eine amerikanische Germanistin, die sich angesagt hatte, aber nicht kam. Unerhört. Wenn man dann gnatzig ist, schnappen sie ein.
Vorgestern Betriebsfest beim Chinesen. Frau Meyer, Grundmanns, Schönherrs, Borowski. Swallow hatte sich«schön»gemacht. Blumenkleid. - Ein angenehmes Mädchen, angenehm angepaßt. Meckert mich nicht voll.
TV: Der alberne Truffaut-Film«Jules und Jim», der von irgend jemand zum Klassiker erklärt wurde. Ein sogenannter«Kult»-Film. Vor Kultfilmen muß man sich in acht nehmen. Trebitsch in Talkshow, man verleitete ihn dazu, Csárdás zu tanzen. Ich habe Angst vor dem Mann. Wie gut, daß ich mit ihm nichts mehr zu tun habe.
Schubert, Klaviersonate 1. - Spargel.
Nartum
Fr 26. Mai 1989
Bild: Fergie: Berlin ist zum Verlieben
ND: Meinungsaustausch zwischen Erich Honecker und Hans-Jochen Vogel
Heute wartete ich wieder endlos auf die Amerikanerin von der University Michigan. Sie kam dann glücklich nach vier Uhr mit einer
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