All die alten Kameraden: Kriminalroman aus der Eifel (Opa Berthold) (German Edition)
Hügel, die das Rurtal umsäumten. Tief unten floss die Rur – ein Name, den er noch aus alten Militärkarten kannte. Er wusste auch, wie kalt das Wasser dieses Flusses selbst im Sommer war.
Fast wie zu Hause, dachte der Alte.
Die Flüsse, Wälder und Berge Montanas unterschieden sich eigentlich kaum von denen der Eifel.
Theodor Feigenbaum ließ den Blick schweifen. Er stand auf dem Turm der Nideggener Burg und sah nach Westen.
Hill 400
, der alte Burghügel von Bergstein, Höhe vierhundertkommafünf. Mehrere Angriffswellen, jedes Mal Dutzende Tote, unzählige Verletzte. Die Elitetruppe der zweiten Rangers verliert ein Viertel der Männer. Joshua, sein Kamerad aus Helena, Montana, ist bei der Eroberung von
Hill 400
dort verreckt an einem Bauchschuss am 7. Dezember 1944.
Unten im Tal, zwischen den Burghügeln von Nideggen und Bergstein, der Ort Zerkall, wo die Kall in die Rur fließt. Der Alte schloss die Augen. Die Kall, kaum mehr als ein kleiner, eisig dahinplätschernder Bach im einbrechenden Winter. Und dennoch schier unüberwindbare Todeszone. Mit geschlossenen Augen sah Feigenbaum die Landschaft ganz anders. Zerschossene Bäume säumten die Kall, im gefrorenen Matsch gestrandete Sherman-Panzer, dazwischen tote Männer, deren graue Gesichter sich kaum abhoben vom Schlamm, in dem sie verreckt waren. Freund oder Feind, manchmal nur noch erkennbar am unterschiedlich geformten Stahlhelm. Was macht es am Ende aus, welche Uniform du trägst.
Theodor Feigenbaum schaute wieder in das weiche Licht des Sommerabends. Der sanfte Wind war warm, fühlte sich aber kühl an in seinen feuchten Augen. Es war nicht kalt. Dennoch fröstelte es den alten Mann.
Eben hatte dieser Deutsche ihn angesprochen. Er kannte ihn nicht, dafür war der Mann zu jung gewesen, keine sechzig Jahre vermutlich. Und dennoch wusste er von den Geschehnissen, die Theodor damals nur knapp überlebt hatte und an die er sich erst Jahre nach dem Ende des Krieges wieder mühsam erinnern konnte. Der Mann hatte einen nervösen Eindruck gemacht, ihm erst Zusammenarbeit bei der Bergung des Schatzes angeboten, ihm dann gedroht, als er merkte, dass Theo nicht darauf einging, und ihn letztlich zu einem Gespräch mit Leuten genötigt, die besser als er selbst um den Schatz wussten. Angeblich sollte es sich um deutsche Veteranen handeln, die den Schatz nach wie vor bewachten und zu allem bereit waren. Theodor Feigenbaum glaubte nichts von alledem. Dennoch war er bereit, sich zu einem geheimnisvollen mitternächtlichen Treffen am Burgfelsen einzufinden. Er wollte zu seiner eigenen Sicherheit aber vorher mit einem Kameraden darüber sprechen, das nahm er sich vor.
Theodor blickte traurig in das grüne Tal. War es richtig gewesen, hierher zurückzukehren? Nein und ja. Eigentlich hatte er hier nichts verloren. Auch nicht den ominösen Schatz, den er in den Kriegswirren kaum richtig hatte ansehen können. Dann der Kopfschuss, dessen Nachwirkungen seine Erinnerung für viele Jahre vernebelt hatten. Was könnte er jetzt noch damit anfangen? Er war dreiundachtzig und krebskrank. Für sich selbst brauchte er nichts mehr. Und doch war er froh, hier zu sein. Wenn er jetzt diese wunderschöne Landschaft betrachtete, die ihn so sehr an seine Heimat erinnerte, verblasste die Erinnerung an die schrecklichen Kriegsereignisse. Konnte dies alles wirklich hier geschehen sein? Alles hatte sich verändert. Das Grauen in der Hölle des Hürtgenwaldes war Wirklichkeit gewesen, aber diese Wirklichkeit verwandelte sich jetzt in eine Erinnerung. Und in dem Maße, wie sich die Gedanken Feigenbaums aufhellten, verdunkelte sich der Himmel allmählich über Nideggen. Der Wind frischte auf. Es schien nach Regen zu riechen. So wie in Montana, wenn am Ende eines warmen Sommertages ein nächtliches Gewitter aufzog.
Der Alte lächelte und wandte sich ab. Langsam schritt er die Treppe zum Burghof hinunter. Dort saßen seine Kameraden bei einem Bier und erzählten die hundertmal wie-derholten Geschichten von Eroberung, vom Tod und vom Überleben. Und vom Heimkehren. Theodor Feigenbaum war jetzt bereit dazu.
Der Himmel war dunkelviolett. Bärbel Müllenmeister betrach tete fasziniert das ungewöhnliche Farbenspiel vom Balkon ihres Apartments. Eine greifbare Spannung lag in der Luft.
Bärbel holte ihre Staffelei und Farben, stellte alles auf dem Balkon auf. Es war schon sehr dunkel geworden. Sie überlegte, wie sie ihren Arbeitsplatz am besten beleuchten konnte, ohne die Stimmung zu zerstören,
Weitere Kostenlose Bücher