All die alten Kameraden: Kriminalroman aus der Eifel (Opa Berthold) (German Edition)
die sie auf die Leinwand zu bannen gedachte. Da nahm sie im Garten eine Bewegung wahr. Mehrere dunkle Gestalten lösten sich aus dem tiefschwarzen Schatten des Gebäudes und schickten sich an, sehr langsam, jede Deckung nutzend, das Gelände der Seniorenresidenz Burgblick zu verlassen. Bärbel glaubte die Personen zu erkennen, die sie da im Dunkel schemenhaft sah. Kurz entschlossen griff sie sich eine Jacke und verließ ihr Zimmer direkt über den Balkon. Sie nahm sich nicht einmal die Zeit, die Staffelei wieder zurückzustellen. Leichtfüßig folgte sie den Gestalten.
»Was mache ich eigentlich hier mit euch alten Schurken?«, flüsterte Benny Bethge, als sie die Straße erreicht hatten.
»Na was wohl?«, flüsterte Gustav zurück. »Blödsinn natürlich.«
Lorenz knurrte und murmelte dann leise: »Kommissar Wollbrand ließ die unmotivierten Schlümpfe, die sein Ermittlerteam bildeten, hinter sich zurück. Den Sinn der Aktion vermochte nur er selbst richtig einzuschätzen. Natürlich teilte er den anderen nicht mit, in welche Gefahr sie in dieser dunklen Nacht geraten konnten, sonst wären sie wohl vor Angst erstarrt zurückgeblieben. Aber vielleicht könnten die Männer ihm doch noch von Nutzen sein, auch wenn es nicht danach aussah.«
Die drei beschleunigten ihre Schritte, und bald hatten sie das Ortszentrum von Nideggen hinter sich gelassen und gingen das schmale Sträßlein zur Burg hinauf. Die Restaurants hatten alle bereits geschlossen, kurz vor Mitternacht war in der Woche kein Betrieb mehr in Nideggen. Die Lichter des Marktplatzes verblassten. Es wurde dunkel, als man sich der Burg näherte. Irgendwo bellte ein Hund. Ansonsten war es sehr still. Das alte Gemäuer wurde von einem roten, gedämpften Licht angestrahlt. Fast hätte man glauben können, der Schein vieler Lagerfeuer, um die sich Landsknechte und Ritter scharten, würde die Mauern beleuchten. Auch dieses Licht ließen die Männer hinter sich. Sie nahmen den Pfad, den sie wenige Stunden vorher noch erkundet hatten. Kein Stern war am Himmel zu sehen. Hin und wieder trat jemand in Matsch oder knickte auf einer Baumwurzel um, doch niemand gab einen Laut von sich. Es roch nach Gewitter. Die ersten, noch weit entfernten Blitze zuckten jenseits der Hügel über den Himmel, ohne dass sie das Dunkel hätten erleuchten können. Hin und wieder drehte sich einer der drei um, um sich zu vergewissern, dass sie nicht verfolgt wurden. Sie wurden tatsächlich verfolgt, jedoch war die kleine Gestalt Bärbel Müllenmeisters im tiefen Schwarz der Büsche nicht auszumachen.
Wieder zuckte ein entfernter Blitz matt über die Baumwipfel, und nun war auch ein leises Donnergrollen zu vernehmen. Lorenz blieb stehen, bis das Geräusch ganz verebbt war. Er hatte geglaubt, noch etwas anderes gehört zu haben. Er drehte sich zu Benny um und flüsterte: »Hast du etwas gehört? Deine Ohren sind jünger als meine.«
»Nix, Opa Bertold«, antwortete Benny leise. Im nächsten Moment zuckten sie zusammen, sodass ihre Köpfe aneinanderstießen, denn Stimmfetzen drangen zu ihnen herüber. Lorenz rieb sich die Stelle, an der ihn Bennys Schädel getroffen hatte, murmelte etwas wie »Knallkopp« und lauschte dann angestrengt. Der Wind wurde stärker. Vermutlich hatte er das Geräusch zu ihnen herangetragen. Gustav drängte sich an den beiden anderen vorbei und ging weiter. An der rechten Seite des Weges begann nun das Geländer, welches den steilen Abgrund des senkrecht ins Rurtal abfallenden Burgfelsens sicherte. Nun waren tatsächlich deutlich Stimmen zu hören. Jedoch war nichts zu verstehen, auch sehen konnten die drei noch niemanden. Plötzlich krachte es ohrenbetäubend laut, und ein gleißend heller Blitz zuckte durch den Himmel und tauchte für ein, zwei Sekunden das ganze Plateau in ein unwirklich helles Licht. Drei Gestalten waren in diesem Moment deutlich sichtbar, die nah beieinander standen. Sie schienen miteinander zu reden. Jetzt zuckten weitere Blitze am Himmel, wenn auch nicht so nah wie der vorherige, und man konnte in ihrem Lichtschein etwas mehr sehen. Und nun setzte auch Regen ein, ein heftiger Gewitterregen. Lorenz murmelte: »Der alte Kommissar spürte es deutlich: Das Gewitter hatte lange genug mit drohender Schwüle über der Burg gelegen. Nun entlud es sich mit aller Gewalt, die Blitz, Donner und Platzregen entfalten können. Es krachte wie aus tausend Ärschen.«
Lorenz merkte, wie schnell er nass wurde, und wollte Kommissar Wollbrand noch einen leisen
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