All die alten Kameraden: Kriminalroman aus der Eifel (Opa Berthold) (German Edition)
Jemand glaubte, mit
Hell’s Kitchen
etwas anfangen zu können. Ihr lasst die Amis keinen Schritt unbeobachtet tun. Verfolgt sie, wohin sie auch gehen. Schaut, wer sich von der Reisegruppe vielleicht absondert, eigene Wege geht.«
»Okay«, meinte sein Sohn. »Aber wir brauchen mehr Leute dafür.«
»Kommt ja gar nicht infrage!«, zischte Adalbert Busch scharf. »Keine Mitwisser!«
»Und die Firma?«, fragte Michael Busch.
Der Alte winkte ab. »Der geht es besser, wenn du keinen Fuß da reinsetzt. Und jetzt Abmarsch, ich bin müde.«
Michael Busch und Manfred Becker verließen das Zimmer des alten Busch. Der blieb mit versteinerter Miene zurück. Er sah nicht mehr hin, als sein Sohn die Tür zuzog und ihm dabei noch einmal zunickte. Der alte Mann atmete schwer. Er hing noch lange düsteren Gedanken nach. Er war jetzt fünfundneunzig Jahre alt. Er hatte eine Firma aufgebaut, war im Krieg reich geworden, als alles um ihn herum zusammenbrach. Nach dem Krieg kamen erst recht fette Jahre. Niederlagen kannte Dr. Adalbert Busch nicht. Bis auf diese eine Nacht in den Wirren des Krieges, als man ihm jenen Schatz anvertraute, der dann an die Amerikaner verloren ging. Diese Scharte musste er auswetzen, solange ihm noch Zeit blieb. Jetzt war die vielleicht entscheidende und letzte Gelegenheit. Er würde nicht sterben, ohne diese Schlacht siegreich beendet zu haben, koste es, was es wolle. Darüber schlief er endlich ein.
Harry Seguso trank nachdenklich einen Schluck Kaffee. Es war schon spät, seine Frau war bereits vor einer Stunde zu Bett gegangen. Die Zeiger standen auf ein Uhr in der Nacht. Still war es im Haus. Seguso löschte das Licht im Raum und öffnete ein Fenster.
Er atmete tief durch. Der Tod von Theodor Feigenbaum hatte ihn getroffen. Sie hatten sich erst bei Reiseantritt kennengelernt. Gekämpft hatten sie damals hier nicht gemeinsam. Harry Seguso wünschte sich, es wäre so gewesen.
Das kleine Hotel lag direkt an einem steilen, dunkel bewaldeten Hügel bei Nideggen. Harry konnte den Wald riechen. Feucht waren der Boden und das Blattwerk. Und warm. So kannte der alte Veteran diesen Wald nicht. Kalt war es gewesen im November 1944, als der junge Leutnant Seguso mit seinem 146. Pionierbataillon in dieser Gegend lag. Sie hatten sich bis nach Vossenack durchgekämpft und den lang gezogenen, an einer Steigung liegenden Ort eingenommen. Dort lagen auch Teile der Einhundertundzwölften, der Feigenbaum angehört hatte. Vielleicht waren sie nur ein Haus entfernt voneinander gewesen. Wer weiß. Einen Tag später wurden diese Jungs in das Kalltal geschickt. Kaum jeder zehnte kam zurück. Harry sollte den
Kall Trail
wenige Tage später auch gehen müssen.
Es war kalt und nass. Gefrierender Schlamm. Keine warmen Mahlzeiten mehr. Der Nachschub hatte Probleme, und aufgrund der Witterung gab es keine Unterstützung aus der Luft. Stattdessen täglich Vernichtungsfeuer der deutschen Artillerie zum Frühstück aus dem Osten, zum Abendessen von Süden her Beschuss durch mobile Granatwerferbatterien, die die Kameraden in Kommerscheidt oder Schmidt nicht hatten stellen können, da sie selbst unter härtestem Beschuss oder bereits wieder auf dem Rückzug waren. Dann irgendwann rückte die deutsche Infanterie an. Kämpften sich ohne Rücksicht auf Verluste von Osten her die Steigung hinauf bis ins Unterdorf.
Harry hörte jetzt noch die Schüsse und die Schreie der Verwundeten und Sterbenden, als der Häuserkampf näher rückte und er den Befehl erhielt, mit seiner Einheit die Ortsmitte abzuriegeln.
Er trank noch einen Schluck Kaffee. Kalt war der geworden und bitter. Passt ja, dachte er. Wenn er vorher geglaubt hatte, das Grauen des Krieges bereits zu kennen, dann belehrte ihn der 7. November eines Schlimmeren. Es ging Mann gegen Mann. Er hatte zweimal die Stellung in der Kirche mit seinen Männern verloren und ein drittes Mal zurückgeholt. Jetzt waren sie nur noch zu zweit. Harry lag mit seinem Freund Nick unter dem Feuer einer MG-Stellung, die die Deutschen beim Friedhof hatten einrichten können. Er gab dem Kameraden ein Zeichen, sich zurückzuziehen, da er keine Munition mehr hatte und bereits die nächste Häuserecke in amerikanischer Hand war. Die Deutschen waren schneller. Eine MG-Salve zerfetzte Nicks Beine. Harry ging alleine zurück. Die Deutschen erreichten Nick. Der lag am Boden und hob die Hände. Das Gesicht des Soldaten, der Nick erreichte, konnte Harry Seguso bis heute nicht vergessen. Er hielt seinen
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