All die alten Kameraden: Kriminalroman aus der Eifel (Opa Berthold) (German Edition)
ihm nach: »Gustav! Hallo!«
Gustav antwortete nicht. Stattdessen murmelte er leise etwas vor sich hin, von dem sie nur verstanden: »So hat das keinen Sinn – der Mensch ist ein Rudeltier – man kann nicht
nicht
kommunizieren.«
Bärbel holte Gustav ein und hielt ihn an der Schulter fest. Lorenz sah die beiden an, sein Freund schien Bärbel gar nicht wahrzunehmen. Lorenz hatte dies nun schon zweimal erlebt. Er wusste zwar nicht, was zu tun war, aber irgendetwas musste er unternehmen. Gustav hielt unter dem sanften Griff von Bärbel still, ohne jedoch von ihr Notiz zu nehmen, und murmelte leise: »So öde alles hier. Der Mensch ist des Menschen Wolf – und doch nichts ohne den Menschen.«
Lorenz nahm Gustavs Gesicht in beide Hände und sagte laut: »Gustav, du bist nicht allein!«
Daraufhin begann Gustav zu lächeln. Er entspannte sich sichtlich und sagte: »Es ist schon gut, Mama!« Dann wand er sich aus dem Griff der beiden Freunde, legte sich auf den Boden und fiel auf der Stelle in Tiefschlaf. Bärbel kniete neben ihm nieder, sah zu Lorenz auf und fragte ängstlich: »Was sollen wir denn jetzt tun?«
»Vielleicht ist Gustav einfach nur müde und will etwas ausruhen?«
Lorenz kam sich selbst recht albern vor, aber etwas Klügeres fiel ihm in diesem seltsamen Moment nicht ein. Außerdem war er selbst recht müde und hätte sich ebenfalls gerne etwas hingelegt.
»Dann sollten wir ihn wieder wecken!«, meinte Bärbel, die Untätigkeit nur schwer ertragen konnte. Sie rüttelte Gustav erst sanft, dann etwas heftiger an der Schulter. Er kam tatsächlich mühsam zu sich, schlug die Augen auf und sagte: »Schon wieder.«
»Ja, schon wieder«, meinte Lorenz. »Was auch immer.«
»Wenn das eine Frage sein soll«, bemerkte Gustav und stand mit Hilfe Bärbels auf, »so kann ich sie nicht beantworten.«
»Aber du musst doch wissen, was dir fehlt«, sagte Bärbel.
Gustav lächelte. »Bist du sicher, dass mir etwas fehlt?«
Lorenz fragte: »Wie lange hast du das denn nun schon?«
»Ach, eigentlich immer schon. Mein ganzes Leben lang. Hin und wieder wache ich auf und merke, dass es mal wieder passiert ist.«
»Und an was erinnerst du dich?«, fragte Bärbel weiter.
»An überhaupt gar nichts«, entgegnete Gustav. »Und an was erinnert ihr euch? Was habe ich gemacht?«
Lorenz kratzte sich den Kopf. »Eigentlich gar nix.«
»Aber gesprochen hast du«, fügte Bärbel hinzu.
»Ist ja interessant«, meinte Gustav. »War es was Schlaues?«
»Es hörte sich an, als würdest du dich sehr einsam fühlen. Und dann – ja, dann hat Lorenz was Schlaues gesagt, glaub ich. Er sagte, du wärst nicht allein. Das hast du offenbar verstanden, denn dann wurdest du ganz ruhig.«
»Sehr ruhig«, lachte Lorenz. »Zum Schlafen hingelegt hat er sich!«
»Aber bevor du eingeschlafen bist, hast du irgendwas von deiner Mama gesagt«, fügte Bärbel hinzu.
»Meine Mama?«, wunderte sich Gustav. »Habe ich nicht Oma gesagt?«
»Nein, es war ganz deutlich Mama.«
»Seltsam«, grübelte Gustav. »Ich hatte nie eine Mama.«
»So so, dich hat also deine Oma geboren«, witzelte Lorenz.
»Aber wirklich!«, kam postwendend die Rüge von Bärbel.
»Irgendwie schon«, meinte Gustav. »Ich habe keine Erinnerung an meine Mutter. Ich wuchs bei meinen Großeltern auf.«
»Sind denen deine Anwandlungen denn auch aufgefallen?«, fragte Bärbel weiter.
»Nee, das hat nie jemand gemerkt. Ihr seid die Ersten, und ich bitte euch noch mal, es für euch zu behalten.«
»Wenn du willst, natürlich«, meinte Bärbel. »Aber seltsam ist es schon. Willst du denn selber nicht wissen, was du in solchen Momenten empfindest?«
»Vielleicht bin das ja dann gar nicht ich. Willst du immer so genau wissen, was andere gerade empfinden?«
»Eigentlich ja«, antwortete Bärbel.
»Typisch Frau eben«, brummte Lorenz. »Wir Männer brauchen das nicht immer.« Und dann sagte er unvermittelt: »Aber ich denke, es ist besser, wir fahren mit dem Taxi zurück.«
Die beiden anderen nickten zustimmend. Bärbel holte ihr Mobiltelefon hervor. »Weiß jemand, welche Nummer man anrufen muss?«
Lorenz und Gustav wussten es nicht, und so ging Lorenz zu einem nahe gelegenen Café, um den Taxiruf zu erfragen. Dabei brummelte er: »Wollbrand war sich sicher, auch dieses Rätsel würde er lösen können. Das Pensionärsdasein gestaltete sich doch nicht so langweilig, wie der alte Kommissar anfänglich befürchtet hatte.«
14. Kapitel
Paul Gedeck sah überrascht von seinem
Weitere Kostenlose Bücher