All die alten Kameraden: Kriminalroman aus der Eifel (Opa Berthold) (German Edition)
Fußboden und kehrte dann zu Gustavs Gesicht zurück.
»Nett haben Sie’s hier«, sagte er tonlos.
Gustav sah ihn gelassen an. »Was willst du?«, fragte er dann.
Becker erwiderte Gustavs Blick und zog einen Mundwinkel nach unten. »Schönes Wetter heute, nicht wahr?«
»Kann schon sein. War noch nicht draußen.«
Becker stieß hörbar Luft durch die Nase aus. »Manche gehen lieber bei schlechtem Wetter spazieren. Oder nachts.«
Gustav setzte ein leichtes Grinsen auf. »Das müssen aber seltsame Leute sein, die so was tun.«
»In Altenheimen leben eine Menge seltsamer Leute.«
Gustav musterte Manfred Becker übertrieben aufmerksam vom Kopf bis zu den Schuhen. »Stimmt.«
»Und du gehst nicht zufällig nachts aus?«
»Meist versuche ich nachts zu schlafen. Und meist kenne ich auch den Namen der Leute, die sich in meinem Zimmer aufhalten.«
»Mein Name ist Manfred Becker«, antwortete der ungebetene Gast.
»Du bist nicht aus der Gegend, stimmt’s?«, fragte Gustav.
»Stimmt, ich stamme nicht von hier. Woran merkt man das?«
Gustav ging zu einem Stuhl, setzte sich hin, ohne Becker ebenfalls eine Sitzgelegenheit anzubieten.
»Die Leute aus dieser Gegend erkenne ich am breiten, ehrlichen Gesicht. Manchmal etwas begriffsstutzig, die Eifler, aber recht gutmütig. Du bist nichts davon, so viel kann ich sehen.«
Becker entgegnete: »Ich nehme das als Kompliment.«
Gustav zuckte die Achseln. »Jeder, wie er mag. Und nun: Was willst du von mir, Manfred Becker?«
Becker räusperte sich. »Eigentlich nichts Bestimmtes.« Und nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: »Nichts, was du nicht selbst wüsstest.«
Gustav verschränkte die Arme hinter dem Kopf. »Irgendwie habe ich den Eindruck, dass du mir drohen willst. Aber zu einer Drohung gehören folgende Dinge. Erstens: Es gibt ein Objekt, auf das sich die Drohung bezieht. Du müsstest irgendetwas Bestimmtes von mir wollen. Zweitens: Es bedarf eines Drohpotenzials. Wenn ich der Forderung nicht nachkomme, muss mir gegebenenfalls etwas Unangenehmes geschehen. Nun also frage ich dich, Manfred Becker: Was willst du von mir, und was droht mir von dir?«
Becker trat irritiert von einem Fuß auf den anderen. Dann entgegnete er: »Du weißt, worum es geht, oder ich müsste mich schon sehr täuschen. Ich wollte erst einmal nur sehen, was du für einer bist.«
Dann drehte er sich um, öffnete die Tür und trat aus dem Zimmer. Bevor er die Tür von außen schloss, fixierte er Gustav noch einmal mit einem bösen, stechenden Blick. »Wir sprechen uns wieder.« Dann warf er die Tür zu.
Gustav blieb einen Moment regungslos sitzen. Dann murmelte er leise vor sich hin: »Du bist ein alter Mann voller Hass, Manfred Becker.«
Er stand auf, ging durch das Zimmer und holte seine Kaffeemühle hervor. Er füllte Bohnen in das Mahlwerk und begann in langsamen, kreisenden Bewegungen den Hebel zu drehen.
Wenige Stunden später standen die Freunde zusammen im Hof der Burg Nideggen. Lorenz wies auf die Westseite der Ruine, wo eine Reihe von steinernen Bögen den hohen Aussichtsturm mit einem zweiten Teil des alten Hauptgebäudes verband und so den Burghof begrenzte. Er erklärte Bärbel: »Diese ganze Bogenreihe war Teil eines der größten deutschen Rittersäle des Mittelalters. Das Ding, Palas genannt, war ein doppelstöckiger gotischer Prachtbau. Hier tafelten die wilden Wilhelms, und Graf Wilhelm der Fünfte wurde hier irgendwann im vierzehnten Jahrhundert durch Kaiser Karl, der ein Vierter war, in den Herzogstand erhoben. Zur Verwirrung der Nachwelt nannte er sich dann Herzog Wilhelm der Erste, und die Zählerei fing wieder von vorn an.«
»Man sieht also«, schaltete Gustav sich ein, »dass sich das Raubrittertum zu allen Zeiten gelohnt hat.«
»Aber alle Gunst ist wechselhaft«, fuhr Lorenz fort. »Kaiser Karl der Fünfte hat die Burg dann später erobert und zerstört, weil die Nideggener Herren zufällig auf der falschen Seite standen.«
»Da drüben ist übrigens der Eingang zum Burgrestaurant«, meinte Benny. »Und da ich großen Hunger habe, stehen wir im Moment auf der falschen Seite dieses Portals.«
»Da hat der Junge, so frech er auch ist, mal wieder recht«, sagte Gustav. »Und da ich reserviert habe, sollten wir uns tatsächlich zu Tisch begeben.«
Die vier gingen über den Burghof und traten in das Restaurant ein. Bärbel blieb an dem großen, in den Farben Blauviolett, Rot und Gold gestalteten Siegel stehen, das links neben der Tür angebracht war. Sie las
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