All die schoenen Toten - Ein Inspektor-Jury-Roman

liegenden Times - »haben den Zeitpunkt des Todes korrekt vermeldet? Ich war allein hier zu Hause. Das heißt, außer im Fall dieser Small. An dem Abend war ich in Chesham.«
    »In Chesham?«, fragte Jenkins.
    »Ganz recht.«
    Es entstand eine Pause. Dann sagte Jenkins: »Falls Sie irgendwo in Chesham oder Umgebung Halt gemacht haben, hat Sie vermutlich jemand gesehen und würde sich erinnern.«
    »Das glaube ich nicht.« Harry lächelte. Er suhlte sich genüsslich darin, als Schuldiger gebrandmarkt zu werden. Er genoss es ebenso, der Tat verdächtigt zu sein, wie andere das Gegenteil genießen würden.
    »Warum sind Sie nach Chesham gefahren, Mr. Johnson?«
    »Wegen der Katze.«
    Jenkins wandte sich hinüber, um die Katze zu betrachten, die Jury wie eine Statue zu Füßen saß.
    »Nein«, sagte Harry. »Nicht die. Das ist meine. Ich spreche von einer anderen schwarzen Katze.« Sein Blick wanderte zu Jury. »Fragen Sie Superintendent Jury.« Harry strahlte die beiden nacheinander an. »Ich bin sicher, er ist inzwischen dahintergekommen, dass ich wegen der Katze nach Chesham gefahren bin.«
    Jenkins sah Jury fragend an, als wollte er es von ihm bestätigt haben.
    »Welche Katze?«, sagte Jury.

50. KAPITEL
    Es war das erste Mal, dass Jury Harry Johnson aus der Fassung geraten sah.
    »Das war natürlich ein Scherz«, sagte Harry, an Jenkins gewandt. »Und Superintendent Jury weiß sehr wohl, wovon die Rede ist.«
    Jury hatte im Lauf seines Lebens schon viele Gesichter aufgesetzt, aber das höchst verwirrte, das er nun machte, war vielleicht das beste. »Ein Scherz? Ich war in letzter Zeit ein bisschen beschäftigt mit drei Morden, da war wohl kaum Zeit für Scherze.« O Mann, was gäbe er jetzt um eine Zigarette! Sich eine anstecken, während er hier weiter ungerührt im Türrahmen stand, das wäre das Inbild des unbesiegten, unbesiegbaren Bullen. Wäre Trevor mit einem Montrachet bei der Hand gewesen, Jury hätte die ganze Flasche in einem Zug geleert.
    Mungo und Morris sahen aus, als wollten sie gleich mitfeiern. Ihre Pfoten tanzten. Stellte Jury sich jedenfalls vor.
    »Sehr witzig in der Tat, Superintendent«, sagte Harry. Und an Jenkins gewandt: »Das ist eine lange Geschichte.«
    »In puncto lange Geschichten bin ich gut, Mr. Johnson. Wenn Sie uns also aufs Revier begleiten, würde ich mich freuen, sie zu hören.«
    Leise Verwünschungen ausstoßend, stand Harry auf. »Bin ich jetzt verhaftet?«
    »Nein, Sir, ganz und gar nicht. Es geht nur um Ihre Mithilfe bei unseren Ermittlungen.«
    Harry seufzte. »Sie wissen, das ist lächerlich. Alles nur wegen der verdammten Katze.«

    Als es Jury draußen einfiel, sein Mobiltelefon einzuschalten, fand er ein halbes Dutzend Nachrichten vor. Alle von Wiggins. Zu Jenkins sagte er, er müsse mal telefonieren.
    »Hier ist ein Foto, das ich Ihnen zeigen will, Boss. Es ist wichtig.«
    Wiggins sagte ihm aber nicht, warum, verweigerte die Auskunft, wollte es wohl spannend machen. Nein, Jury müsse es sich anschauen, er, Wiggins, sei sich nämlich nicht sicher.
    »Sobald ich mit Harry Johnson fertig bin, Wiggins.« Er sah sich suchend nach Plants Wagen um. Auf der anderen Straßenseite stand einer, ein alter Bentley. Eine verstohlene Hand schob sich aus dem Fenster auf der Fahrerseite, zwei Finger zum Siegeszeichen geformt. Jury verdrehte genervt die Augen. Sollte er es etwa erwidern? Wenigstens musste er nicht über die Straße, zum heimlichen Händedruck.
    Jury stieg neben Jenkins in den Wagen.
     
    Melrose wartete ab, bis der Wagen mit den drei Männern losgefahren war, bevor er die Katzentransportbox und die Schirmmütze mit der Aufschrift »True Friends« vom Rücksitz nahm.
    Er hielt den Rückspiegel schräg, um einen kurzen, prüfenden Blick auf sich zu werfen. Idiotisch sah er aus. Die Kappe segelte wie ein kleines Boot auf den bleichen Wogen von – Ach, was! Es war schon lächerlich genug, da musste er sich nicht auch noch poetisch verkünsteln!
    Melrose schob den Schirm an der Mütze hoch. Doch, die musste er aufbehalten. Er hatte keine Wahl. Es gab vieles, dem er nicht ähnlich sah, und Tierschützer stand ganz oben auf der Liste, gleich hinter Niels Bohr. Damals hatte er sich verkleidet, damit Jury sich Zugang zu Harrys Haus verschaffen konnte. Sollten sie ihr Leben etwa damit zubringen, in Harrys Haus gelangen zu wollen? Über die Niels-Bohr-Nummer hatte Harry sich köstlich amüsiert.
    Sein Anzug aus Seide-Wolle-Gemisch war eine Spur zu elegant
für das mickrige