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All die schoenen Toten - Ein Inspektor-Jury-Roman

Titel: All die schoenen Toten - Ein Inspektor-Jury-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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Gehalt, das er vermeintlich vom Tierheim bezog. Er tauschte die Anzugjacke gegen das alte Leinending aus, das steif gestärkt genug aussah, mehrere Kampfhundattacken zu überstehen. Damit angetan und mit der Kappe auf dem Kopf stieg er aus dem Wagen, die Transportbox zog er hinter sich her.
    Hatte Jury gesagt, Wiggins habe sich einen Hamster zugelegt? Das klang ziemlich unwahrscheinlich.
    Melrose ging die Treppe hoch. Es war ein schmucker Backsteinbau mit weißen Steinstufen, die wie frisch geschrubbt aussahen, und zwei steinernen Löwen, die das Haus wirkungsvoll komplettierten, ohne protzig zu wirken.
    Er klingelte, wartete, hoffte, dass niemand da wäre – falsch, jemand öffnete die Tür: ein winziges Frauchen mit unsicherem Blick, von der er annahm, es handelte sich um die Haushälterin.
    »Mrs. Tobias? Mein Name ist Melrose Pierce.« Er hatte wohl gerade an Mildred gedacht. »Ich soll Mr. Johnsons Katze abholen?«
    Mrs. Tobias’ Unsicherheit verwandelte sich in Argwohn. »Seine Katze? Was? Sie sollen Schrödinger abholen? Wieso denn das? Jetzt sagen Sie bloß …« Sie machte eine wegwerfende Handbewegung. »Ach, nehmen Sie sie ruhig mit. Ein Glück, dass wir die los sind. Da hockt sie. Ich habe einen Kuchen im Backofen.«
    Melrose starrte ihr fassungslos hinterher. War’s das? War das alles? Einen Kuchen im Backofen? Und er hatte sich schon darauf gefasst gemacht, äußerst clever vorgehen zu müssen. Dann hätte er die Kappe am Ende also gar nicht gebraucht. Hätte er sich maskiert und bewaffnet Zutritt verschafft, dann hätte sie trotzdem gesagt: »Nehmen Sie ruhig das Tafelsilber mit. Ich habe einen Kuchen im Backofen.«
    Und da saß sie: Morris – schwarz und unschuldig.
    Und neben ihr ein Hund, bei dem es sich um den unvergleichlichen Mungo handeln musste. »Habe die Ehre.« Melrose verbeugte sich.

    Kenn ich dich?, überlegte Mungo. Der da kam ihm irgendwie bekannt vor. Er hatte eine komische Mütze auf, mit so einem Schnabel vorne dran, wie ein Entenschnabel. Und wieso steckte er Morris in diesen Behälter? Und wieso hatte Mrs. Tobias nichts dagegen? Andererseits hielt Mrs. Tobias die Katze ja für Schrödinger. Jetzt befestigte er die Laschen, und Mungo konnte von Morris bloß noch ein Auge sehen. Und jetzt trug dieser Entenschnabel Morris an die Tür.
    Schlecht. Schlecht. Schlecht. Ganz schlecht. Der Entenschnabel machte die Tür auf und ging hinaus, Mungo dicht hinterher, bevor die Tür zufiel. Mungo war dem Enterich direkt auf den Fersen. Klammheimlich die Treppe hinunter. Wie klammheimlich konnte man tun, im grellen Sonnenlicht auf Marmorstufen? Der Enterich merkte aber nichts.
    Der Wagen stand mit der Fahrerseite zum Randstein geparkt. Der Enterich machte die Autotür auf, wollte die Box schon hineinschieben, besann sich dann anders, öffnete die hintere Wagentür und beugte sich mit der Box hinein …
    Im Bruchteil einer Sekunde war Mungo auf dem Vordersitz und hüpfte schnell nach hinten. Der Enterich rutschte auf den Fahrersitz und ließ den Motor an.
    Waren die eigentlich alle blind, diese Leute? Ein ganzes Tierasyl, eine komplette Arche Noah voller Tiere hätte dem Enterich hinterherlaufen können, ohne dass der was gemerkt hätte. Sind diese Menschenwesen eigentlich alle so selbstverzückt, dass sie nicht merken, was um sie herum passiert?
    Obwohl diese Tirade nicht an Morris gerichtet war, antwortete sie mit: Ja.
    Mungo saß jetzt auf dem Rücksitz neben der Box und schaute Morris ins Auge. Obwohl er den Rest von ihr durch die Löcher nicht sehen konnte, wusste er, dass Morris bequem auf ihren Vorderpfoten lag.
    Werde ich jetzt gerade wieder entführt? War einmal denn nicht genug?, fragte Morris.

    Sollte man meinen.
    Aber vielleicht fahren wir ja nach Hause.
    Nach Hause, sinnierte Mungo. Wenn Hänsel und Gretel gezwungen gewesen wären, sich auf Menschenwesen zu verlassen, um nach Hause zu gelangen, hätten sie im ganzen Wald Generalstabskarten verteilen müssen.
    Mungo richtete sich auf und schaute zum Fenster hinaus. Er glaubte Westminster zu erkennen. Sie waren immer noch in London.
    Er legte sich hin. Morris hatte das Auge nicht mehr am Guckloch. Morris schlief.
    Mungo seufzte. Leute, Leute, Orte, Orte. Wieso bleibt immer alles an mir hängen?

51. KAPITEL
    Harry paffte vor sich hin. Nein, er wolle seinen Anwalt nicht dabeihaben. Er habe nichts weiter verbrochen, als sich für ein paar Tage eine Katze auszuborgen.
    »Um es ganz genau zu sagen.« Jenkins saß ihm am Tisch

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