All die schoenen Toten - Ein Inspektor-Jury-Roman
das heißen soll.«
Jury zog sein kleines Notizbuch hervor, um den Namen aufzuschreiben. »Ich nehme nicht an, dass Sie die Adresse haben, oder?«
»Nein, die habe ich nicht.«
»Wissen Sie vielleicht, in welchem Teil von London?«
Mrs. Cox legte sich die Finger an die Schläfen, um sie zu massieren. »Parsons Green, könnte es sein. Oder Fulham. Na, jedenfalls irgendwo da in London. Vielleicht ist ja in Mariahs Zimmer etwas, ein Adressbüchlein oder sonst etwas …«
»Ja, es wäre mir recht, wenn die Polizei das Zimmer durchsuchen dürfte. Natürlich nicht jetzt, wenn Sie nicht wollen, dass
wir im Haus herumschwirren. Sergeant Cummins könnte das später machen, wenn es für Sie nicht so störend ist.«
Sie nickte betrübt. »Wenn Sie recht haben, was hat sie denn dann gemacht in dem Aufzug? Das Gesicht so geschminkt? Die Haare in so einer Farbe?« Sie knüllte das Taschentuch zwischen den Händen zusammen. »Sie hat in der kleinen Bücherei gearbeitet, wissen Sie. Ich dachte immer, es war der perfekte Job für Mariah.«
»Inwiefern?«
»Sie war so ein stiller Mensch, und sie hatte gern mit Büchern zu tun. Die Art von Arbeit ist nicht so anstrengend. Da beschweren sich die Leute nicht so oder verlangen zu viel. Leihen sich die Bücher aus und sind irgendwie zufrieden. Mariah mochte nichts mit der großen Welt zu tun haben. Sie blieb gern für sich.«
Wie wenn ein Verband von den Augen eines Patienten entfernt oder vom zerstörten Gesicht eines Verbrennungsopfers abgewickelt wird, brauchte Edna Cox eine Weile, um die Wirklichkeit zu akzeptieren. Sie tat Jury furchtbar leid.
»Ich weiß, Sie können sich keinen Reim darauf machen, aber alles, was Sie uns sagen könnten, würde helfen. Dinge, die zuvor vielleicht gar nichts bedeutet haben.« Er hielt nachdenklich inne. »Wieso haben Sie sie eigentlich als vermisst gemeldet, Mrs. Cox? Ich meine, sie war ja oft weg. Und all die anderen Male haben Sie sich ja auch keine Sorgen gemacht.«
Sie schien verwirrt, als käme ihr der Gedanke erst jetzt, wo Jury es sagte. Grübelnd saß sie da und zerrte an ihrem Taschentuch herum. »Weil sie es mir bestimmt gesagt hätte, und das hat sie nicht.« Noch mehr Herumgezerre am Taschentuch, wie an einem Stück Toffee. »Mariah würde niemals am Sonntag einfach nicht zurückkommen, ohne es mir zu sagen. Und da war ja auch die Arbeit. Montags arbeitete sie in der Bücherei. Dazu müssten Sie sie kennen, wie verlässlich, wie rücksichtsvoll sie ist.« Sie wandte sich ab. »War.«
»Wie lange hat sie bei Ihnen gewohnt, Mrs. Cox?«
»Zehn Jahre etwa. Sie kam zu mir, nachdem ihre Mutter gestorben war – meine Schwester. Mariah hatte sie gepflegt, es war eine lange Krankheit. Lungenemphysem. Sie wohnten im Norden oben, im Tyne & Wear-Distrikt. In Old Washington, wo George auch geboren ist. Sie kennen es vermutlich nicht …«
Er kannte es durchaus, gut sogar.
»Ihr Vater arbeitete in Newcastle. Dort oben war es schon immer schwer, wissen Sie, von der Arbeit her, und das Geld war knapp. Erst starb ihr Dad und dann ihre Mutter. Wir haben uns nicht oft gesehen, eigentlich kaum einmal. An Weihnachten und in den großen Schulferien, das war alles.«
»Sah Mariah damals so aus wie auf diesem Foto?« Er tippte an den silbernen Rahmen.
Sie runzelte die Stirn. »Eigentlich nicht. Als sie jünger war, war sie hübscher. Sie wurde irgendwie immer unscheinbarer, obwohl es ja normalerweise umgekehrt ist, nicht? Ich begreife es einfach nicht, ich begreife das alles nicht.« Nun fing sie richtig an zu weinen.
Jury setzte sich hinüber auf das kleine Sofa, legte ihr den Arm um die Schultern und sagte: »Mein aufrichtiges Beileid, Edna.«
Allmählich begann er sich auch selbst leidzutun.
8. KAPITEL
»Dieser Devlin, der Verlobte. Kennen Sie den?«, fragte Jury, als sie von dem Reihenhaus wegfuhren.
Sergeant Cummins nickte. »Flüchtig. Bobby ist der Typ mit den Blumen.«
»Süß. Aber was heißt das?«
»Er züchtet Blumen und verkauft sie. Er hat einen sagenhaften Garten – ein Grundstück außerhalb des Ortes.«
Jury kurbelte sein Fenster hoch. Der Abend nahte, es wurde viel kühler. »Und sind Sie fündig geworden? Bei Devlin?«
Cummins schüttelte den Kopf. »Eher nicht. Also, wenn Sie meinen, ob Bobby ein Tatverdächtiger ist, da kann ich mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass er Mariah nie etwas angetan hätte. Niemals.«
»Wo kann ich ihn finden?«
»Bobby? Der wird am Market Square sein. Dienstags und freitags hat er
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