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All die schoenen Toten - Ein Inspektor-Jury-Roman

Titel: All die schoenen Toten - Ein Inspektor-Jury-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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ausgeschaltetem Licht schon schwer genug, umso mehr, wenn es leuchtete.
    »Na, los schon. Wir sind verabredet, wissen Sie das nicht mehr?«
    Jury wusste es nicht mehr, und sein Gesichtsausdruck verriet es.
    Sie seufzte tief, immer noch in der hell erleuchteten Tür stehend, dann sah sie auf das schmale Reifchen an ihrem Handgelenk.
»Es ist fast zehn vorbei. Nicht besonders schmeichelhaft, dass Sie’s vergessen haben.«
    »Stimmt. Wenn ich es vergessen hätte. Habe ich aber nicht. Wir sind überhaupt nicht verabredet.«
    »Doch, wir wollten doch ins Mucky Duck.«
    Er verkniff sich ein Schmunzeln. »So weit ist es mit Ihnen also schon gekommen, was? Dass Sie Verabredungen erfinden. Jetzt gehen Sie endlich aus der Tür! Mir tun von dem grellen Licht die Augen weh.« Er beschirmte sie mit der Hand.
    Mit grimmiger Miene trat sie ins Zimmer.
    Von dort war ihr Anblick auch nicht so schlecht. Ein meergrünes oder meerblaues Kleid, je nachdem, wie sie sich bewegte. Ein Mund in perlmuttglänzendem korallenroten Lippenstift, offenbar geküsst von demselben Meer. Lange, filigrane Silberohrringe, die, wenn Licht darauf fiel, zitternd zarte Farben zucken ließen.
    »Hab ich mir bloß so ausgedacht – ehrlich.« Sie sank auf sein Sofa und zog ein Spiegelchen aus ihrer Handtasche, schaute hinein, sah anscheinend nichts, klappte es wieder zu und sagte: »Da hat eine Freundin von Ihnen angerufen.« Sie deutete auf Jurys Telefon, als wäre die Freundin darin eingesperrt.
    »Und …?«
    »Was?«
    »Wer war die Freundin?«
    »Wie soll ich denn das wissen?« Inzwischen hatte sie eine Nagelfeile aus ihrer Tasche geholt und feilte sich die Nägel.
    »Sollten Sie eigentlich schon, nachdem Sie ja die Nachricht angenommen haben.«
    »Oh. Die hieß … Fiona? … Nein … Felicia?«
    »Phyllis?«
    »Kann sein. Sind Sie so weit?« Die Feile wieder in der Tasche, war sie aufgestanden und staubte ein Regal ab, das gar nicht abgestaubt werden musste.
    »Wollte Phyllis, dass ich sie anrufe?« Von allen Gerichtspathologen,
Amtsärzten und Coronern auf den Britischen Inseln würde Jury jederzeit Dr. Phyllis Nancy wählen. Sie war die Fähigste, die Entgegenkommendste, die Verlässlichste. Wenn Phyllis sagte, sie hätte die Ergebnisse einer Autopsie bis zu einer bestimmten Uhrzeit für ihn fertig, lagen sie auch immer haargenau dann vor. Greenwich hätte die Uhr nach ihr stellen können.
    Jury hatte seine Jacke vom Stuhl genommen und fuhr in die Ärmel, nachdem er nun mal so oder so im Mucky Duck landen würde.
    »Nicht direkt.«
    Er steckte seine Schlüssel ein. »Nicht direkt ! Was hat sie denn dann so angedeutet?«
    »Irgendwas mit Abendessen. Oder Mittagessen.« Carol-Anne gähnte. Ihr war das Ganze völlig schnuppe. »Dass Sie vielleicht mit ihr essen gehen sollten? Oder auch nicht. Jedenfalls wollte sie Sie bloß dran erinnern, was weiß ich, an was. Ich bin nicht schlau draus geworden.«
    Inzwischen waren sie auf dem Weg nach unten, und Carol-Anne trug, da war er sich fast sicher, ihr Ausgehpaar Manolo Blahnik-Schuhe. Der Absatz hier war nicht klobig, nicht wie an dem Paar in Chris Cummins’ Kollektion.
    »Sie klang«, fügte Carol-Anne in ihrer Beurteilung von Phyllis’ Anruf hinzu, »ganz genauso flatterhaft wie Sie.«
     
    Bier- und zigarettenqualmgeschwängert, machte das Mucky Duck seinem Namen wie immer alle Ehre. Schmuddeliger ging’s fast nicht mehr.
    Sämtliche Männer, an denen sie vorbeiging, bekamen bei Carol-Annes Anblick Stielaugen und hofften wahrscheinlich, dass es sich bei Jury um ihren Vater handelte. Sie setzte sich an einen Tisch und bat um ein Pint Bass.
    »Ein halbes Pint ist damenhafter«, meinte er, zollte ihr aber insgeheim Beifall für ihre Weigerung, sich an die übliche Geschlechterrolle zu halten.

    »Ein Halbes könnte ich Ihnen genauso über den Kopf schütten.«
    »Sind Sie aber griesgrämig heute Abend«, versetzte Jury.
    »Wären Sie auch, wenn Sie jemand andauernd dran erinnern müssten, dass er mit Ihnen verabredet ist.« Das Spiegelchen wurde wieder gezückt, und sie inspizierte ihr Gesicht auf bislang unentdeckte Unvollkommenheiten.
    Da könnte sie auch gleich Rossettis Beatrice inspizieren, der sie immens ähnlich sah. Das Puderdöschen wurde zugeklappt. »Sind Sie immer noch da?«
    »Ich will nicht vergessen, wie Sie aussehen, solange ich an der Theke für das Bier anstehe.«
    Ihre Augenbrauen tanzten auf und ab. Ihr Stirnrunzeln war höchst lebhaft.
    Als Jury Richtung Tresen lostrottete, hätte er

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