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All unsere Traeume - Roman

All unsere Traeume - Roman

Titel: All unsere Traeume - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Cohen
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dann: der Geruch nach Salz, Schlamm und Tang.
    Ihre Eltern lebten in einem weißen Einfamilienhaus am Stadtrand. Die Meeresbrise trug den Geruch bis in den Garten. Sie hatte ihn in der Wiege als Baby gerochen, und später hatte sie als Kind am Strand mit Tang und Muscheln gespielt.
    Sie hatte den Wagen an dem Feldweg in einer Haltebucht geparkt. Das ferne Meer glitzerte zwischen den blattlosen Ästen hindurch. Wahrscheinlich sollte sie direkt zum Haus hochfahren. Doch sie wollte ein paar Minuten haben, in denen sie atmen und sich die Füße vertreten konnte. Es sich anders überlegen konnte, wenn sie wollte. Sie hatte vor ihrer Abfahrt aus Sonning nicht bei ihren Eltern angerufen. Seit Wochen hatte sie überhaupt nicht mit ihnen gesprochen. Vielleicht waren sie nicht zu Hause. Vielleicht waren sie beschäftigt und wären bei ihrem Anblick nicht sonderlich erbaut. Ihre Eltern hatten nie verlangt, dass ihre erwachsenen Kinder einen Besuch telefonisch ankündigten, aber dennoch tat Claire es stets. Es war eine Frage von Rücksichtnahme.
    Doch heute Morgen hatte sie die Leere einfach nicht mehr ausgehalten, das leere Haus, das trotz aufgedrehter Heizung nicht warm werden wollte. Sie wollte den Geruch einatmen, der ihr fehlte. Sie wollte nach Hause.
    Die Wintersonne wärmte ihr die Schultern und Wangen, und unter ihren Füßen raschelten Blätter, als sie losging. Am Ende der Hecke kam das Haus in Sicht. Die Blumenbeete waren gepflegt wie immer, und an der Mauer blühte Winterjasmin. Das Auto war nicht da, was allerdings nicht bedeutete, dass beide unterwegs waren. Claire blieb stehen und hielt sich hinter der Hecke, von den Fenstern aus nicht zu sehen, und betrachtete das Haus, in dem sie aufgewachsen war.
    Es war immer warm und hell gewesen. Kinderstimmen hatten darin widergehallt. Sie erinnerte sich daran, wie ihre Mutter sie zu Bett gebracht hatte, wie ihr Vater ihr Lieder vorgesungen hatte. Auf dem großen Herd stand stets ein Kessel, es köchelte immer etwas Leckeres vor sich hin, das ganze Jahr über Blumen in Vasen. Claire und Helen und Ian hatten sich zu Hause immer sicher gefühlt, hatten es immer geliebt, Freunde mit nach Hause zu bringen, um ihnen zu zeigen, wie schön es dort war, wie fröhlich und sauber und ordentlich. Jedes Kind hatte seine Besonderheiten. Helen war gut im Sport, Ian war gut in der Schule, Claire war gut in Musik, das heißt, nicht nur in Musik. Sie tat alles, um ihren Eltern, die sie so sehr liebte, zu gefallen. Besonders liebte sie ihre Mutter, die stets den Mittelpunkt bildete.
    Selbst jetzt, da sie erwachsen waren, war es noch ge nauso, zu jedem Weihnachtsfest, an Wochenenden und Feier tagen. Das Haus war voller Essen, Wärme, schöner Gegenstände. Manchmal griff Claire nach Hochglanzzeitschriften über Hauseinrichtung und stilvolles Bewirten, und sie erkannte jenseits der geschickten Verlockung zum Kauf, Konsum und Selbermachen das Ideal, das man einzufangen versuchte. Es war das Ideal, das ihre eigene Mutter für ihre Kinder erschaffen hatte.
    Als Claire und Ben sich das Haus in Sonning gekauft hatten, hatte sie es sich ganz genauso vorgestellt. Es würde ein sicherer Hafen, ein Ort der Wärme und Geborgenheit für ihre Familie sein. Von hier aus würden ihre Kinder gestärkt ins Leben treten, wie einst Claire, als sie ihr Elternhaus verlassen hatte. Und es wäre immer alles da, idyllisch und unveränderlich – die Mutter, die die Kinder zur Schule brachte und wieder abholte, selbst gebackene Kekse, die mit cremiger Milch auf sie warteten, Küsse und Pflaster bei kleinen Wehwehchen, Geschichten vor dem Zubettgehen.
    Sie arbeitete hart daran, das zu erschaffen, was ihre Mut ter anscheinend völlig mühelos hinbekommen hatte. Manch mal kam sie erst viel später als Ben ins Bett. Und jetzt war alles umsonst. Ein Haus mit zu vielen leer stehenden Zimmern. Kein Mann. Kein Kind.
    Nur sie selbst, mit leeren Händen, auf dem Weg nach Hause.
    Sie sollte nach Sonning zurückfahren. Claire würde bloß ihr eigenes Versagen mit dem elterlichen Erfolg vergleichen, selbst wenn dies wahrscheinlich gar nicht in der Absicht ihrer Eltern lag. Sie würde nur nach dem Ich-hab-es-dir-ja- gleich-gesagt-Blick im Mitgefühl ihrer Eltern suchen. Es war so viel sicherer, so zu tun, als wäre alles perfekt.
    Doch es wäre eine solche Erleichterung, sich nicht mehr verstellen zu müssen.
    Claire stand noch hinter der Hecke, bereit zu gehen oder zu bleiben, als sie eine Silhouette sah, die im Haus am Wohn

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