All unsere Traeume - Roman
einen Schneeball zu machen, der groß genug ist für einen Schneemann?«
»Doch!«, rief Posie und rannte davon.
»Das Baby ist nicht bei dir«, sagte Claire. »Du stillst ihn nicht.«
»Nein, ich unterhalte eine intime Beziehung zu einer Plastikpumpe.«
»Warum … Warum seid ihr nicht zusammen?«
»Ben liebt mich nicht. Er liebt dich.«
»Aber er hat gesagt …«
»Ich weiß nicht, was er gesagt hat. Aber jeder Trottel, ich eingeschlossen, kann sehen, dass Ben und du füreinander bestimmt seid.«
Claire starrte Romily an. Deren Wangen waren vor Kälte gerötet, sie sah aus, als habe sie geweint. »Ben wäre bei dir geblieben«, sagte Claire. »Er hätte dich nicht verlassen, nicht, nachdem du ein Kind von ihm bekommen hast.«
»Er liebt mich nicht.«
Claire zögerte, konnte es nicht glauben.
»Es war dumm von mir, mich in deinen Mann zu verlieben«, sagte Romily. »Und ich habe dir sehr wohl etwas vorgemacht, was meine Gefühle für ihn betraf. Das tut mir leid. Es war nie meine Absicht, dass ihr euch trennt. Es war nie meine Absicht, dass irgendjemand davon erfährt.«
Vom Auto drang ein Schrei. Jarvis war herausgekommen und lieferte sich mit Posie eine Schneeballschlacht.
»Die Sache ist die«, fuhr Romily fort, »dass du mir geholfen hast, obwohl du allen erdenklichen Grund hattest, mich zu hassen. Du warst unglaublich, Claire. Ohne dich hätte ich es nicht geschafft.«
»Du hättest es geschafft, ob ich nun da gewesen wäre oder nicht.«
»Aber weil du da warst, hatte ich keine Angst. Nicht eine Sekunde. Ich wusste, dass du da warst, und ich wusste, dass dir das, was passierte, am Herzen lag. Ich wusste, dass du das Baby ganz genauso liebst wie ich.« Romilys Stimme versagte, doch sie hatte sich schnell wieder gefasst. »Und ich weiß, dass du in diesem Moment die einzige Person auf der Welt bist, die ganz genauso empfindet wie ich.«
Sie blickte Claire unverwandt in die Augen. Und Claire sah die ganze Pein in ihren Augen, all die Leere und den Verlust, die Claire so vertraut waren.
Aus der Ferne hörte Claire das nasse Aufklatschen eines Schneeballs, der sein Ziel traf, gefolgt von Posies trium phierendem Gelächter. »Guter Schuss, Miss Mariposa!«, rief Jarvis.
»Du hast eine Familie«, sagte Claire zu Romily.
»Du auch. Sie warten auf dich.« Romily hielt ihr die Tasche hin.
»Ich kann nicht einen Ehemann und ein Kind wie ein Geschenk von dir annehmen«, sagte Claire. »So funktioniert das nicht.«
»Sie gehören dir längst. Du musst nur zu ihnen fahren.« Romily zuckte die Schultern. »Oder eben nicht. Es liegt bei dir. Aber für mich sieht es aus, als hättest du ein Auto voller Babymöbel, und in einer Wohnung in Brickham gibt es ein Baby ohne Kinderbett.«
»Das sind Dinge.«
»Ja, sicher. Ben könnte ein anderes kaufen. Aber wahrscheinlich will er das hier.«
Ein Schneeball segelte an ihren Köpfen vorüber.
»Hör mal«, meinte Romily. »Jemand muss diese Muttermilch abliefern, und ich werde es nicht tun. Außerdem werden Jarvis und Posie gleich klitschnass sein, und sie werden ein warmes Bad brauchen. Es ist am besten, wenn du hinfährst.«
»Romily …«
»Versuch es einfach. Es ist einen Versuch wert. Die Bücher, die du mir gegeben hast, raten dringend zu Muttermilch in den ersten Lebenstagen. Das hier ist die Vormilch, die ganz besonders auf die ersten paar Tage eines Babys abgestimmt ist. Sie stärkt das Immunsystem, und es gibt Studien, die behaupten, dass sie der Entwicklung des Gehirns dient. Anscheinend das reinste Wundermittel, besonders bei all dem Biogemüse, das ich in letzter Zeit esse. Aber du kannst die Milch natürlich auch schlecht werden lassen. Wozu gibt es dieses künstliche Pulverzeug? Viele Babys gedeihen prächtig damit.«
»Du versuchst mich zu manipulieren.«
»Ich lass einfach nichts unversucht, damit ihr zu eurem Happy End kommt.« Romily stellte die Tasche vor sich in den Schnee. »Es liegt in deinen Händen. Ich muss jetzt meine Tochter davon abhalten, ihren Vater umzubringen.«
Sie drehte sich um und ging fort. Posie kam angelaufen, um Claire noch einmal rasch und verschneit zu umarmen, und Jarvis winkte ihr ebenfalls zu. Dann stiegen sie alle wieder in den Wagen und fuhren davon, die Auffahrt hinunterrutschend. Sie hörte ihre Reifen auf der nassen Fahrbahn.
In der Tasche piepte ihr Handy. Wahrscheinlich handelte es sich um eine Nachricht von Romily, die sie dazu bringen wollte, nachzusehen. Die nichts unversucht ließ.
Sie sah nach.
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