All unsere Traeume - Roman
hatten das Quiz gestern Abend nicht gewonnen. Weil sie Ben abgelenkt hatte. Weil sie auf Ben eingeredet hatte, ihr Angebot anzunehmen. Das Angebot, ein Baby für ihn zu bekommen.
Romily schlug die Augen auf und setzte sich gerade hin. Die heftigen Kopfschmerzen bemerkte sie fast nicht.
Ben. Diese Liste. Der letzte Satz ganz in Großbuchstaben. Sie hatten noch weiter getrunken, und er hatte sie in ein Taxi gesetzt, doch sie hatte die Liste gefaltet in ihrer Gesäßtasche. Sie griff nach hinten und berührte die Ecke: immer noch vorhanden und real.
»Romily? Warum guckst du so?«
Sie hatte von einer Bratenspritze gesprochen. Sie hatte gesagt, dass sie alles für ihn tun würde.
Angestrengt versuchte sie, sich an alles zu erinnern, was sie gesagt hatte, und zwar zweigleisig: zum einen die Sache mit dem Baby, das sie für ihn bekommen würde, und zum anderen, was sie sonst noch gesagt hatte, über ihre Gefühlslage. Was hatte er gehört? Was hatte er verstanden?
Er hatte sich bei ihr bedankt. Er hatte sie geküsst.
»Ich versuche zu lesen«, sagte Posie.
Romily sprang auf. »Ich mache Toast. Magst du?«
»Kann ich in meinem Zelt essen?«
»Klar.« Romily verließ das Schlafzimmer und durchquerte das im Dunkeln liegende Wohnzimmer auf ihrem Weg in die winzige Küche, einem vollgestopften Verschlag, der Romilys Meinung nach aussah, als wäre er erst nachträglich angefügt worden. Sie zog den Wasserkocher aus der Steckdose, steckte den Toaster ein und schob die letzten beiden Brotscheiben hinein. Das Endstück ließ sie liegen, weil Posie es nicht mochte. Sie goss sich ein großes Glas Wasser ein und stand dann da, ohne es zu trinken, an ihrer Lippe herumnagend.
»Scheiße«, sagte sie laut zu den Müslipackungen, der vertrockneten Basilikumpflanze, der schmutzigen Tasse im Spülbecken. »Ich bin ein e Vollidiotin.«
Vielleicht war Ben auch viel zu betrunken gewesen. Vielleicht erinnerte er sich heute Morgen gar nicht mehr an ihr Gespräch.
Wem machte sie etwas vor? Er würde sich an jedes Wort erinnern. Ben vergaß nie etwas, und so etwas würde er ganz bestimmt nicht vergessen. Sie zog den Zettel aus ihrer Hosentasche, und da war es, schwarz auf weiß, in ihrer eigenen, ziemlich krakeligen Handschrift:
SIEBTENS. ROMILY BEKOMMT DAS BABY FÜR EUCH!!!
Sie knüllte den Zettel fest zusammen und warf ihn in den Müll. Doch wenn sie es sich recht überlegte, wollte sie nicht, dass er für immer auf einer Mülldeponie landete. Sie holte ihn wieder heraus und stopfte ihn in den Komposteimer, unter Teebeutel und eine Bananenschale. Er würde in den Garten kommen, und Nacktschnecken würden ein Lochmuster hineinfressen, Wespen würden ihn für den Nestbau zerkauen.
Wenigstens fühlte sie sich nicht mehr verkatert. Unglaublich, was ein plötzlicher, durch Panik verursachter Adrenalinanstieg im Körper bewirken konnte. Es war eine völlig andere Art von Übelkeit, die sie jetzt überkam. Romily wusch sich die Hände und bespritzte sich das Gesicht am Spülbecken, doch es half nichts. Als die Toastscheiben fertig waren, beschmierte Romily sie mit Mar garine und Honig und brachte sie auf einem Teller zu Posie ins Zimmer.
»Danke, Zenturio«, sagte Posie, ohne von ihrem Buch aufzublicken. Obwohl Posie derart in die Römer vertieft war, hatte Romily Angst, ihre Stimme könnte sie verraten. Deshalb gab sie nur ein nichtssagendes Brummen von sich und ging ins Badezimmer, um den Boiler einzuschalten.
Ihr Spiegelbild sah so fertig aus, wie sie es erwartet hatte, als Dreingabe gab es noch einen wilden, gequälten Blick. Es war der Gesichtsausdruck eines Menschen, der versehentlich das wichtigste Geheimnis seines Lebens verraten hatte und nun darauf wartete, dass das Beil niedersauste.
Elf Jahre, in denen sie den Mund gehalten, weggesehen, gelächelt, mitgemacht und so getan hatte, als ob. Und dann brauchte es letztlich bloß ein oder zwei Tequila.
»Dumm«, murmelte sie. »Dumm, dumm, dumm. Er weiß es. Und wenn nicht, dann bestimmt bald.«
Denn wie käme eine Frau dazu, einem Mann anzubie ten, ein Baby für ihn zu bekommen, neun Monate des eige nen Lebens zu opfern, Schwangerschaftsstreifen in Kauf zu nehmen, sich zu endlosen Blutabnahmen und Beckenbodenübungen zu verpflichten, wenn sie nicht bis über beide Ohren in ihn verliebt war?
Und es schon immer gewesen war, seit dem Augenblick, in dem sie ihn zum ersten Mal gesehen hatte.
Ein Stelldichein
K omm in einer halben Stunde in die Bar im George Hotel. Sag keinem
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