All unsere Traeume - Roman
geringste Hilfe Kinder zu bekommen. Sie fand ihre Eisprungdateien und druckte mehrere leere Tabellen für Romily aus.
Romilys überraschter Gesichtsausdruck, als Claire Tabellen und Tests erwähnt hatte. Als könnte sie es kaum fassen, dass derlei Dinge existierten. Sie beide lebten definitiv in verschiedenen Welten.
Wenn sie die Sache durchzogen, würde das Baby genetisch zur Hälfte von Romily abstammen. Es könnte ihr wie aus dem Gesicht geschnitten ähnlich sehen, auch wenn das theoretisch nicht zu viele Fragen aufwerfen würde. Ben hatte ebenfalls dunkle Haare und dunkle Augen. Romily war intelligent und gesund. Posie, ihr Kind, war intelligent und gesund. Was konnte Claire sich Besseres wünschen?
Allerdings schienen Ben und sie sich mit jedem Versuch, ein Kind zu bekommen, immer weiter von der natürlichen Methode des Kinderkriegens zu entfernen. Sex hatte nicht funktioniert, also hatten sie es mit den Tabellen probiert, dem Temperaturmessen, den Eisprungtests. Dann das Clomifen zur Anregung des Eisprungs. Dann die künstliche Befruchtung, ihr Körper ein Spielball der Medikamente und Instrumente. Und jetzt zogen sie sogar einen anderen Menschen hinzu.
»Die Leute stellen immer dieselben dummen Fragen«, sagte Max.
Sie blieb auf dem Weg zum Drucker stehen. »Wie bitte?«
»Wie geht es dir? Wie waren deine Ferien? Die wollen doch gar keine Antwort haben. Die wollen einem bloß erzählen, was sie selbst Tolles gemacht haben.«
»Okay, lass uns eine Abmachung treffen«, meinte Claire. »Ich erzähle dir nichts von meinen Ferien, wenn du mir im Gegenzug nichts von deinen erzählst.«
Er lächelte nicht, hörte aber kurz auf, die Stirn zu runzeln. »Ja. Damit kann ich leben.«
»Müssen wir in die Drogerie?«, fragte Ben sie. »Oder hast du noch ein paar Eisprungtests übrig?«
»Ich glaube, ich habe vielleicht noch einen.« Sie wusste es. Sie sah ihn vor ihrem geistigen Auge auf ihrer Seite des Badezimmerschränkchens. »Ich habe die Tabellen in der Arbeit ausgedruckt.«
»Wir müssen ihr das Zeug nicht heute vorbeibringen«, sagte Ben. »Wir können uns noch ein wenig Bedenkzeit nehmen. Kein Grund zur Eile.«
Doch er war so aufgeregt. Seitdem sie es mit Romily im Legoland besprochen hatten, war er wie ein Junge, der aufWeihnachten wartete. So optimistisch, so glücklich, dass sie es noch einmal versuchen würden.
»Nein, wir können heute hinfahren, wenn sie schon mit uns rechnet. Abgesehen davon dauert es bestimmt eine Ewigkeit, bis etwas passiert.«
Als sie in der Drogerie fertig waren, hatte der Berufsverkehr eingesetzt, und es war schwierig, in der Stadtmitte einen Parkplatz zu finden. Doch Ben schaffte es, sich eine Straße weiter von Romilys Wohnung zwischen zwei Lieferwagen zu quetschen. Er nahm den Karton und die Plastiktüte, und Claire ging mit ihm um den Häuserblock, auch wenn er so schnell lief, dass sie kaum Schritt halten konnte. Er stieg vor ihr die Stufen zu der Souterrainwohnung auf die gleiche typische Art hinunter wie bei ihnen zu Hause: rasch, bei jedem zweiten Schritt fast hüpfend, sodass ein synkopischer Rhythmus entstand. Noch bevor er klopfen konnte, öffnete Romily die Tür.
»Hey!«, begrüßte sie Ben. Dann erblickte sie Claire hinter ihm, und ihr Lächeln gefror ein wenig. »Hi!«
»Wir haben die Tests und Tabellen dabei«, sagte Claire – unnötigerweise, denn natürlich hatte Ben dies bereits mit Romily ausgemacht, doch irgendwie verspürte sie das Bedürfnis, ihre Anwesenheit zu rechtfertigen. Sie war noch nie in der Wohnung gewesen. Wenn Ben und sie Posie abholten, wartete Claire gewöhnlich bei laufendem Motor im Wagen.
Sie folgte Ben nach drinnen. Im Grunde war sie immer davon ausgegangen, dass Romilys Wohnung ziemlich chaotisch sein würde, wie Romily selbst, doch es war nicht so schlimm wie erwartet. Die Eingangstür führte direkt ins Wohnzimmer. Ein Sofa und ein Sessel waren in den engen Raum gequetscht, und an den Wänden stapelten sich Bücher zu hohen Türmen. Die Wände selbst waren apfelgrün gestrichen, wahrscheinlich in dem Versuch, die Souterrainwohnung freundlicher zu gestalten. Größtenteils waren sie kahl, allerdings hingen über dem Sofa zwei gerahmte Bilder mit blauen und orangefarbenen Klecksen. Claire erkannte Posies Werk. Ben stellte sofort den Karton und die Tüte auf dem Couchtisch ab und ließ sich mit einer Unbefangenheit, die von Vertrautheit herrührte, in dem Sessel nieder.
»Richtig nett hier.« Claire versuchte, sich nicht
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