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All unsere Traeume - Roman

All unsere Traeume - Roman

Titel: All unsere Traeume - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Cohen
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fand ein paar Pfefferminzdrops in ihrer Tasche und war ernsthaft versucht wegzulaufen. Doch wohin? Und was würde es nützen? Wenn er wusste, dass sie hier arbeitete, würde er sie früher oder später doch wieder finden. Sofern er das wollte.
    Und aus irgendeinem ihr unbekannten Grund schien er es zu wollen.
    Romily zerbiss zwei Pfefferminzdrops auf einmal und begab sich im Café in der Nähe des Museumseingangs auf die Suche nach Jarvis. Es würde okay sein, sagte sie sich. Es war bestimmt nur eine Stippvisite. Hereingeschneit, um Hallo zu sagen. Ein rasches, dreistes »Wie geht’s« nach acht Jahren der Funkstille. Eine typische Jarvis-Aktion, wenn sie es sich recht überlegte.
    Sie musste versuchen, sich nicht mehr zu übergeben und nicht zu viel zu reden, dann wäre alles prima.
    Er saß an einem Tisch unter einem der großen deckenhohen Fenster, rührte Zucker in seinen Kaffee, und ihr blieb der Bruchteil einer Sekunde, um ihn unbeobachtet zu betrachten. Er trug eine weite Khakihose, ramponierte Boots und ein hellblaues Baumwollhemd, bei dem die Ärmel bis zu den Ellbogen hochgekrempelt waren. Es war nicht in die Hose gesteckt und sah aus, als habe es noch nie mit einem Bügeleisen Bekanntschaft gemacht. Allerdings war an den Orten, an denen er sich aufgehalten hatte, Bü geln wahrscheinlich nicht sonderlich wichtig. Haareschnei den auch nicht. Er hatte keine Taschen oder einen Koffer bei sich, was wohl bedeutete, dass er irgendwo wohnte und nicht bloß auf der Durchreise war. Doch wer wusste das schon bei Jarvis? Er konnte sein Gepäck am Flughafen zurückgelassen haben. Es konnte in den Anden verloren gegangen sein. Oder wo auch immer.
    Er hob den Blick und sah Romily, und sie verspürte erneut den Drang wegzulaufen. Sie kämpfte dagegen an und setzte sich Jarvis gegenüber. Vor ihr standen eine Tasse und ein kleines Teekännchen – dem Geruch nach Pfefferminztee.
    »Hast du dich ausgekotzt?«, fragte er.
    »Ich glaube schon. War keine Absicht.«
    »Gut zu wissen.« Zum ersten Mal lächelte er. Es war nur ein halbes Lächeln, bei dem sich seine Mundwinkel nach unten und nicht nach oben verzogen. Daran konnte sie sich auch noch erinnern. »Der Tee wird dir guttun.«
    Sie goss ihn aus dem Kännchen und atmete den Dampf ein. Er hatte eine reinigende Wirkung.
    »Tja«, setzte sie an. »Wie geht es dir?«
    »Gut, danke.«
    »Woher hast du gewusst, wo ich bin?«
    »Ich habe Anil im Naturkundemuseum besucht. Er hat mir erzählt, dass du die Mega-Sammlung dieser viktorianischen alten Jungfer katalogisierst. Bei denen ist sie anscheinend legendär. Wie lange sitzt du schon daran?«
    »Ich habe angefangen, kurz nachdem du weg bist.«
    »Eigentlich habe ich fast damit gerechnet, dir in der Wildnis über den Weg zu laufen.« Er hörte auf, seinen Kaffee umzurühren, und trank einen großen Schluck, den Blick über den Tassenrand hinweg auf Romily gerichtet.
    »Die Sammlung hält mich hier aufTrab.«
    »Mit dem Doktor fertig?«
    »Ja.«
    »Herzlichen Glückwunsch. Dr. Summer. Das hast du schon immer gewollt.«
    »Danke.« Sie blies auf ihren Tee und trank dann einen Schluck. »Wo … Wo bist du gewesen?«
    »In den letzten beiden Jahren hauptsächlich in Süd amerika.«
    »Ich habe etwas von dir auf Discovery gesehen.« Als sie einmal spätnachts durch die Kanäle gezappt hatte, hatte sie seinen Namen in einem Abspann gelesen. Ihr Herz hatte wild geklopft. Danach hatte sie Naturdokumentarsendungen gemieden, weil sie befürchtete, sie würde jede Einstellung analysieren und zu erraten versuchen, wer hinter der Kamera stand. Nicht dass sie genug über das Filmemachen oder auch nur über ihn wusste, um seinen Stil wiederzuerkennen.
    Wem versuchte sie etwas vorzumachen? Sie würde seinen Stil überall erkennen.
    »Mhm«, stimmte er ihr zu.
    »Bist du … längere Zeit in England?« Sie konzentrierte sich auf den Tisch.
    »Ich bleibe eine Weile in London. Leute treffen.«
    »Oh.«
    Es herrschte Schweigen. Am Nachbartisch erzählte eine ältere Dame ihrer Begleiterin von der Warteschlange auf der Post.
    Jarvis räusperte sich. »Hilft der Tee?«
    »Ja. Ich glaube. Danke.«
    Sie hob den Blick, senkte ihn aber gleich wieder, da Jarvis sie ansah.
    Im Laufe der Jahre hatte sich Jarvis für sie zu einer bloßen Vorstellung verflüchtigt. Ein Satz Gene, ein niemals im Gespräch erwähnter Name auf dem Fernsehbildschirm. Es war die einfachste Art, an ihn zu denken. Jetzt konnte sie seinen Kaffee riechen, und wenn sie ein wenig

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