All unsere Traeume - Roman
verrieten, wie sehr er von ihr fortwollte. Romily lehnte sich an die Außen wand des nächsten Geschäftes. Sie atmete schwer und versuchte, genug Luft in ihre Lunge zu saugen.
Warum hatte sie es ihm erzählt? Posie und ihr war es gut gegangen ohne ihn. Oder nicht? Und Jarvis mochte es praktischerweise vergessen haben, aber sie war sich so sicher, wie sie es nur sein konnte:Vor acht Jahren, damals, als sie ein Paar kurz vor der Trennung gewesen waren, damals, als er einen Auftrag übernahm, mit dem er sich einen Na men als Kameramann für Naturfilme machen würde, wollte er ganz bestimmt kein Baby. Sie hatte auch kein Baby gewollt. Erst nachdem Jarvis weg war, nachdem sie mit Ben gesprochen hatte.
Und selbst dann, vierunddreißig Wochen lang, wusste Romily nicht, ob sie dazu fähig sein würde, ob sie fähig sein würde, eine Mutter zu sein. Bis die Hebamme ihr den heißen, kleinen, sich windenden Körper reichte, der immer noch nach Fruchtwasser roch, mit ihren angeklatschten hellen Haaren und zusammengekniffenen Augen, den perfekten Gliedmaßen und dem Stummel der Nabelschnur, der von ihrem Bauch abstand. Da wusste sie, dass sie für dieses Kind kämpfen würde, was auch immer geschah. Dass sie es beschützen würde.
Wozu auch gehörte, sie vor Menschen zu schützen, die sie nicht haben wollten.
Auf einmal war sie wütend auf Jarvis, jetzt, wo sie nicht mehr länger in der Defensive war. Zugegeben, Posie war seine Tochter, es war ein Schock, von ihrer Existenz zu erfahren, aber die angemessene, erwachsene Reaktion, wenn man herausfand, dass man ein Kind hatte, war doch wohl gewiss nicht, auf der Straße herumzubrüllen und zu fluchen und sich dann auf die Suche nach dem größten Drink zu begeben, der sich auftreiben ließ?
Sie hätte es ihm nicht sagen sollen. Es war bloß, dass er Posie so ähnlich sah. Auf einmal hatte sie ein furchtbar schlechtes Gewissen gehabt, die verrückte Vorstellung, dass sie eine Beziehung aufbauen würden.
Und nun befand sie sich genau in der Situation, die sie all die Jahre über vermieden hatte: Posie mit einem Vater, der sie nicht wollte, der sich aber jederzeit melden und ihr Leben auf den Kopf stellen konnte.
Romily war schwindelig und schlecht. Langsam kehrte sie zum Museum zurück. Doch man war in ihr Refugium eingebrochen. Sie würde Bescheid geben, dass ihr nicht wohl sei. Sie würde nach Hause gehen und ins Bett kriechen, bis sie Posie abholen musste. Es war sinnlos, ihr davon zu erzählen. Nicht jetzt. Jarvis würde sich ohnehin nicht die Mühe machen, sich zu melden. Wenn er ihre Telefonnummer besaß, hätte er jederzeit in den vergangenen acht Jahren anrufen können. Wahrscheinlich würde er beschließen, das Land so bald wie möglich zu verlassen, nach Südamerika zurückzukehren, wo keine ärgerlichen Verpflichtungen auf ihn warteten.
Erst als sie die Eingangsstufen des Museums hinaufstieg, sich darauf konzentrierend, die paar Schlucke Pfefferminztee bei sich zu behalten, fiel ihr ein, dass Jarvis Posies Foto mitgenommen hatte.
Es dauerte zwei Wochen, bis er anrief.
Gewollt
D as Abendessen war kein Erfolg gewesen. Anschließend im Auto, auf dem Beifahrersitz neben Ben, der nach Hause fuhr, schaltete Claire Radio 3 ein, um das Schwei gen zu übertönen.
Sie hatte ein wenig zu vielWein getrunken. Zum einen hatte Mike ihr immer wieder nachgeschenkt. Er hatte jedes Mal, wenn betretenes Schweigen eintrat, mit der Flasche die Runde gemacht. Es war wohl nett gemeint. Wahrscheinlich hatte er gesehen, dass sie nervös war, und wollte ihr dabei helfen, sich zu entspannen.
Priya war bei Claires Hochzeit Brautjungfer gewesen. Sie kannten einander aus der Schulzeit. Jahre später, als Priya Mike heiratete, war Claire auch eine von ihren Braut jungfern gewesen. Als Priya wegen Unfruchtbarkeit in Behandlung ging, war Claire schon längst dabei, und sie war immer da für ein Gespräch am Telefon oder einen Kaffee. Sie empfahl Priya die besten Websites, die beste Klinik, und setzte ihr auseinander, womit sie bei jedem Termin zu rechnen hatte.
Sie hatten Mike und Priya nun fast ein Jahr lang nicht gesehen. Die Zwillinge, die während ihres ersten künstlichen Befruchtungszyklus gezeugt worden waren, schliefen oben. Ihr Atmen drang aus dem Babymonitor, der in der Nähe des Esstisches stand. Ansonsten hatten sie großen Wert darauf gelegt, alle Hinweise auf die Kinder, sämtliche Fläschchen und Windeln und Spielsachen, aus dem Esszimmer zu beseitigen.
Bevor Claire und Ben an
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