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All unsere Traeume - Roman

All unsere Traeume - Roman

Titel: All unsere Traeume - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Cohen
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und sie spielte das Lied noch einmal.
    Unvermittelt stand sie auf und schloss den Klavierdeckel. Sie stieg die Treppe hoch.
    Damals bei ihrem Einzug in dieses Haus – Claires Cottage auf dem Land, nahe genug an London, dass Ben pendeln konnte – hatten sie das kleine, sonnige, nach Süden gelegene Zimmer im rückwärtigen Teil des Hauses »das Kinderzimmer« genannt und damit gerechnet, dass es bald bewohnt werden würde. Jetzt nannten sie es nicht mehr so. Die anderen Schlafzimmer waren ihr Schlafzimmer, Posies Zimmer, das Gästezimmer. In diesem Zimmer mit seinem Einzelbett und der weißen Bettdecke voller Gänseblümchen, mit seiner geblümten Tapete, die sie nie entfernt hatten, und dem Flickenteppich auf dem Boden, hatte ihre Schwester das Reisebettchen für ihre eigenen Kinder aufgebaut, und der Sohn ihres Bruders hatte hier geschlafen, wenn sie zu Besuch waren. Niemand sprach je den ursprünglichen Namen des Zimmers aus.
    Jetzt stand Claire darin. Es roch ein wenig muffig, wie Zimmer in alten Häusern riechen, wenn sie lange nicht benutzt werden. Sie machte das Fenster auf und sah hinaus in den Garten, zu dem Birnbaum, der auf seine Schaukel wartete.
    Vogelgezwitscher würde durch das offene Fenster dringen. Selbst im Winter würde hier das Licht hereinscheinen und Muster an die Wand zeichnen. Von ihrem Zimmer nebenan würden Ben und sie jedes noch so leise Schniefen, noch das schläfrigste Weinen hören können.
    »Gelb«, sagte sie laut. Helles Sonnenscheingelb, die Farbe der Freude. Sie würden ein Kinderbett in hellem Holz aussuchen und ein Mobile an die Decke hängen. Ein einzelner Holzstuhl stand an der Wand. Sie kletterte hinauf, streckte den Arm aus und ergriff eine Ecke der alten Blümchentapete, die sich von der Wand gelöst hatte. Sie riss einen großen, befriedigenden Streifen ab und ließ das sich einrollende Stück zu Boden fallen. Und ein CD -Player auf der Kommode, zum Musikabspielen. Dieses Baby sollte das ganze Leben lang Sonnenschein und Musik haben.
    Sie schälte noch einen Streifen ab und noch einen.

Erstes Gestrampel
    P osie war schon im Bett, und Romily zappte sich durch die Fernsehsender, ohne etwas Interessantes zu finden. Da klopfte es an der Tür. Sie erkannte es sofort als Bens Klopfen, wartete aber trotzdem, bis sie sich den Morgenmantel über ihrem Schlafanzug zugebunden hatte, bevor sie die Tür öffnete.
    Er trug ein makelloses weißes Hemd mit leicht gelockerter Krawatte. Es war zehn Tage her, der Juli war in den August übergegangen, seitdem sie miteinander gestritten hatten. Die Erleichterung bei seinem Anblick war unglaublich. Sie traf Romily so heftig, dass sie beinahe rückwärts getaumelt wäre.
    »Hallo, Fremder«, sagte sie, um sich nichts anmerken zu lassen.
    »Ich komme gerade von der Arbeit. Lässt du mich rein, oder bin ich ein zu großer Esel?«
    Sie trat zurück und ließ ihn herein. Wie immer füllte er das Zimmer mit seiner Gegenwart aus, brachte den schwachen Duft nach Aftershave und Sommerluft von draußen mit sich.
    »Es tut mir leid«, sagte er. »Posie ist deine Tochter. Die Entscheidung liegt nicht bei mir.«
    »Allerdings.« Sie wies auf den Kühlschrank. »Ich glaube, da ist irgendwo noch eine Flasche Bier, wenn du willst.«
    »Möchtest du etwas?«
    »Apfelsaft.«
    Er öffnete die Flasche und goss ihr Saft ein. In seinen Händen sah alles irgendwie kleiner aus. Er kam zum Sofa. »Was guckst du?«
    »Es laufen nur Realityshows.«
    »Gleich kommt A Question of Sport .«
    Sie schaltete um. Er ließ sich neben ihr nieder und streckte seine langen Beine aus, als habe er ernsthaft vor, sich das Quiz anzusehen. »Erwartet Claire dich nicht zu Hause?«, fragte sie unwillkürlich.
    »Sie weiß, dass ich bis spät arbeite. Ihre zig kleinen Projekte halten sie ziemlich aufTrab. Sie hat angefangen, das Kinderzimmer zu renovieren.«
    »Sie hat mir ein Foto gesimst.«
    Ben warf ihr ein gequältes Lächeln zu. »Ihr beide seid in letzter Zeit ziemlich dicke. Habt euch verbündet gegen den armen Kerl.«
    »Wir haben uns nicht gegen dich verbündet, und außerdem hattest du unrecht.«
    »Streiten wir nicht«, sagte er. »Streit habe ich genug den ganzen Tag auf der Arbeit. Du bist mein Kumpel zum Ausspannen, Romily. Ich möchte nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen, bevor ich es ausspreche. Das habe ich immer an dir gemocht. Du bist nicht kompliziert.«
    »Nein.«
    Daran war nichts kompliziert. Außer dass sie ihn einatmete, als wäre sie gerade vor dem

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