All unsere Traeume - Roman
unglaublich!«, sagte er. »Geht das jetzt ständig so?«
»Ich weiß es nicht.«
Er setzte sich auf. »Dann nehme ich die Hand nicht weg. Ich will nichts verpassen.« Er setzte sich neben Romily auf dem Sofa zurecht, sodass sein Arm neben ihr lag und seine Hand auf ihrem Bauch blieb. »Ist das okay für dich?«
Ja. Nein. »Es ist dein Baby.« Sie fragte sich, ob sie ihr Oberteil nach unten ziehen sollte, doch das würde nur die Aufmerksamkeit darauf lenken, dass es bisher hochge rutscht gewesen war. Dass ihr aufgefallen war, dass er ihre nackte Haut berührte. »Allerdings ist mir ein bisschen kalt.«
»Na, dann.« Er zog eine Seite ihres Morgenmantels über ihren Bauch und seine Hand. Was schlimmer war, denn jetzt fühlte es sich an, als würde er sie heimlich berühren. Romily schluckte.
»Dir wird doch nicht schlecht, oder?«
Wenn sie Ja sagte, würde er aufhören. Sie sollte Ja sagen und die Folter beenden. »Nein. Nein, ich glaube nicht. Die Sache mit der Übelkeit scheine ich hinter mir zu haben.«
»Gut. Wir können uns das Quiz ansehen, und dann verschwinde ich. Das Baby hat sich bewegt!« Er lachte wieder und hielt sein Bier hoch. »Das ist einen Toast wert.«
Sie griff nach ihrem Glas und stieß mit ihm an. »Auf ein strampelndes Baby.«
»Ich kann es kaum erwarten, Claire davon zu erzählen.«
Romily trank einen sehr großen Schluck. Sie versuchte, sich auf den Fernseher zu konzentrieren.
Amity
S ie war bei der vorletzten Schublade angekommen.
Romily stand in dem kleinen Zimmer mit der Dach schräge, dem lauten Ventilator und dem Mottenkugelgeruch und betrachtete die Rosenholzvitrine. Nicht nur die Katalogisierung von Amitys Sammlung ging dem Ende entgegen, auch ihre Stelle. Im neuen Jahr würde sie sich nach einer neuen Arbeit umsehen müssen. Vielleicht würde das bedeuten, dass sie nach London pendeln müsste, was die Kinderbetreuung und das Zur-Schule-Bringen schwie rig machen würde. Vielleicht würde es bedeuten, dass Posie und sie wegziehen müssten.
Früher einmal hatte sie sich, genau wie Posie heute, ausgemalt, Forschungsreisende zu werden. Sie sah sich durch einen Dschungel stapfen. Eine Tierart entdecken, die niemand je zuvor erblickt hatte. Amity hatte den gleichen Traum gehabt, und jahrelang hatte Romily ihn indirekt durch sie ausgelebt.
Wenn es zu Ende war, würde sie sich von Amity verabschieden und ins wahre Leben zurückkehren müssen. Vielleicht gab es gar keine Stellen, jedenfalls nicht für eine alleinerziehende Mutter mit einer Doktorarbeit über Marienkäfer als Bioinvasoren, die nur arbeiten konnte, wenn ihr Kind in Betreuung war. Vielleicht bestand ihre Zukunft darin, Latte bei Starbucks zuzubereiten.
Andererseits wäre es vielleicht eine gute Alternative, nach Brasilien zu ziehen. Posie würde es bestimmt toll finden, und vielleicht wäre es das Beste für Romilys eigenen Seelenfrieden, weit weg von Ben zu sein.
Romily seufzte. Die Arbeit an Schublade 71 hinauszuzögern, war auch keine Lösung. Und ehrlich gesagt war sie ganz aufgeregt deswegen. Romily ließ die Schublade herausgleiten. Sie enthielt Wespen, jede einzelne an ein winziges Schildchen mit Amitys Handschrift geheftet, das sich auf den nicht mehr existierenden Katalog bezog. Leise hörte Romily das Telefon im Arbeitszimmer läuten, also nahm sie die Schublade mit nach unten und ging an den Apparat.
»Sie haben Besuch«, erklärte Hal ihr. »Ich bringe sie in die Personalküche.«
»Wer ist …«, setzte sie an, aber Hal hatte aufgelegt. Sie ging nach unten in die Personalküche. Hal erwartete sie auf dem Gang.
»Ich glaube, sie hat Kuchen dabei«, sagte er. Er folgte ihr in die Küche, in der Claire mit einer geblümten Dose stand.
»Hi«, sagte Romily, die mehr als nur ein bisschen überrascht war.
»Was ist in der Dose?«, fragte Hal, sie beäugend, ohne sich von der Stelle zu rühren.
»Ich habe ein paar Cupcakes gebacken.« Claire sah sich in der Küche um. Sie wirkte nervös, auch wenn sie es mit einem Lächeln überspielte.
»Keine Sorge«, sagte Hal. »Ihre ekligen Käfer darf sie nicht in die Küche mitnehmen.«
»Klappe, Hal. Claire, das hier ist mein hilfsbereiter und sachkundiger Kollege, Hal Watson, der Museumsdirektor. Ich fürchte, dass er ganz heiß ist auf deine Cupcakes.«
»Ich mag Cupcakes.« Er kam ein Stück näher.
»Sind Sie auch heiß auf Käfer?«, fragte Claire ihn.
»Davon krieg ich Gänsehaut. Ich bin Geologe.«
»Er wühlt lieber in schmutziger Erde rum«,
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