Allan - Die Suche nach dem Ich (Band 2) (German Edition)
Rollstuhl ein. »Ich denke, es ist an der Zeit, dass jeder nachhause geht und die Geschehnisse des Tages verarbeitet.«
Der Erste, der die Taverne verließ, war Sorof. Wutentbrannt machte er sich in Richtung Zentrum der Stadt auf, wo sein Haus lag. Doch war keineswegs sein Heim sein Ziel, sondern der Kerker, in dem Malon an Ketten gefesselt verharrte. Jeder Bürger Okrais besaß den Kerkerschlüssel, da dieser normalerweise zur Lagerung von Lebensmitteln und Kleidung diente - nicht zur Gefangennahme von Menschen, und erst recht nicht von Bewohnern dieser Stadt.
Der alte Mann schlief, als er den Kerker betrat. Klirrend ließ er die Zellentür hinter sich zufallen, wodurch er Malon weckte.
»Sorof«, seufzte dieser, scheinbar erschöpft vor Müdigkeit und vermutlich auch vor Schmerzen. Die Stahlketten hatten sich bereits in sein Fleisch geschnitten. »Bist du gekommen, um mich hier rauszuholen? Gott sei Dank. Ich halte es hier unten nicht aus. Es ist so kalt und nass hier und ich habe Hunger und Durst und ...«
»Sei still!«, unterbrach ihn Sorof. Dem Alten wurde scheinbar bewusst, dass er nicht befreit werden würde, denn er riss erschrocken die Augen auf. »Du armselige Kreatur. Meinst du, ich werde einfach so darüber hinwegsehen, was du meiner Tochter angetan hast und dich ungeschoren davonkommen lassen?« Er gab Malon Zeit, zu antworten, doch reagierte dieser nicht. Also sprach er weiter. »Ich bin nicht gekommen, um dich hier rauszuholen, sondern um dir die Strafe zukommen zu lassen, die du verdient hast.«
Hinter seinem Rücken holte er ein Messer hervor. Malons Augen weiteten sich. Schweiß brach aus seinen Poren, Angst schien ihn zu überkommen.
»Sage Lebewohl zu deinem erbärmlichen Leben«, war das Letzte, was Malon zu hören bekam. Das Messer sauste mit einer brachialen Geschwindigkeit auf ihn nieder und stach immerzu auf ihn ein. Blut spritzte gegen die Wand, auf Sorofs Schuhe, auf seine Hosenbeine. Immer wieder peinigte er sein Opfer - wodurch noch mehr Lebenssaft in der Zelle verteilt wurde -, bis es keinen Laut mehr von sich gab und regungslos in sich zusammensackte. Das Messer fiel zu Boden und der Mörder verließ ohne eine Regung der Reue den Kerker.
Erst am darauffolgenden Morgen, als einer der Burschen nach Malon sah, wurde der Mord entdeckt. Alle Bewohner Okrais tummelten sich im Zentrum der Stadt und konnten nicht fassen, was geschehen war. Nur einer fehlte: Sorof, was den Verdacht auf ihn fallen ließ. Die Bürger machten sich im Kollektiv auf den Weg zu seinem Haus. Sie hämmerten gegen die Türe und schrien, dass er seinen verdammten Hurensohnarsch nach draußen bewegen sollte - dem Sorof auch sofort nachkam. Als die Tür aufschwang, konnte scheinbar kaum einer glauben, was sie vor sich sahen, obwohl es jeder geahnt hatte: Blutüberströmt stand er vor ihnen, mit einem abgrundtiefen Hass in seinen Augen, welchen sie noch nie bei ihm gesehen hatten - bei niemandem der Okrainer.
»Was hast du Malon angetan?«, fragte Nia in Tränen aufgelöst.
»Ich habe ihn getötet, für das, was er mit meiner Tochter getan hat«, antwortete der Stadtmörder ruhig - dieser Name machte ihn zu einer Legende Okrais, wenngleich auch zu einer brutalen und gnadenlosen Legende.
Allan wusste nicht so recht, was er sagen sollte. Er hatte Sorof nur kurz gesehen, doch seine Menschenkenntnis hatte ihm gesagt, dass er zu so etwas nie imstande gewesen wäre. Wie er feststellen musste, hatte sie ihn im Stich gelassen, wie schon des Öfteren in seinem Leben.
»Was habt ihr mit Sorof gemacht?«, fragte er schluckend. Das Bild vor seinem inneren Auge von Malon ließ ihn würgen.
»Wir haben Malon aus dem Kerker geholt - er wird noch heute beerdigt - und Sorof dort eingesperrt. Dort wird er ohne Essen und Trinken so lange verharren, bis er verhungert - oder verdurstet, was wahrscheinlicher ist. Nach drei Tagen ist der menschliche Körper ausgetrocknet und ...«
»Danke Sinalia, doch so genau wollte ich es gar nicht wissen.« Allan kämpfte immer noch gegen seinen Würgereiz an.
»Tut mir leid. Aber das alles ist für mich noch so ... unecht. Ich kann es einfach nicht glauben, dass einer von uns in der Lage war, einen seiner Nachbarn und Freunde umzubringen.«
»Dasselbe macht ihr doch nun auch mit Sorof.«
»Das schon, allerdings bestrafen wir ihn für Mord. Malon wurde umgebracht, weil er Korin gebeten hatte, uns zu folgen. Das ist nicht miteinander vergleichbar.«
»Aber ihr könnt doch nicht einfach
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