Allan - Die Suche nach dem Ich (Band 2) (German Edition)
er sich gegen das Verhalten der Bewohner Okrais aufgelehnt hatte, war Nia gewesen. Sie hatte ihm Unterschlupf in der Gaststätte gewehrt - eigentlich hatte sie ihn genötigt. Weshalb auch immer. Allan hatte noch in der Nacht abreisen wollen, doch hatte sie ihn gebeten, hier zu bleiben und sich auszuruhen.
Es war früher Morgen, die Sonne war nicht im Leisesten dazu bereit, aufzugehen - sein Zimmer war so düster, wie am vorigen Abend, als er es betreten hatte. Er steckte sein Schwert in die Gürtelscheide und hing sich sein Schild um, woraufhin er sich heimlich aus der Gaststätte stehlen wollte - als er Nia hinter sich hörte.
»Willst du schon gehen?«
Erschrocken wandte er sich um. »Ich muss. Mir bleibt keine Zeit.«
Sie seufzte. »Das glaube ich dir gerne. Aber darf ich dich noch eine einzige Minute von deiner Abreise abhalten?«
Er runzelte die Stirn. Was hatte sie vor?
»Komm´ mit!«, sagte sie und verschwand in einem Hinterzimmer, in dem nur dämmriges Licht schien. Eine kleine Öllampe stand auf einer Anrichte, die unheimliche Schatten an die Wände warf. Sie wirkten wie Schädel, die ihn durch ihre schmalen Augen zu beobachten schienen. Hatte denn alles in diesem Land seine Augen auf ihn gerichtet? Seitdem er in Heravina war, hatte er nicht einen Moment erlebt, in dem er sich unbeobachtet fühlte. Obwohl sich dieser Gedanke in ihm breitmachte, glaubte er nicht, dass er sich das nur einbildete. Sein Geist war klar genug, um nicht paranoid zu werden.
Nia öffnete eine Schublade der Anrichte und holte etwas hervor. Es sah aus wie eine Karte. Wie sich herausstellte, war es auch eine. Sie zeigte sie ihm.
»Dort liegt das Nebelgebirge«, erklärte sie, während sie mit dem Finger auf ihr entlangfuhr. »Wenn du jemals wieder herausfinden willst«, sie drehte den Plan um und zum Vorschein kam ein gezeichneter Weg, »musst du das Gebirge so durchlaufen. Sonst verläufst du dich und bist für immer verloren.«
Allan wusste nicht, was er sagen sollte. Wie kam er dazu, solch´ eine Nettigkeit und Hilfsbereitschaft zu spüren zu bekommen? Nia schien seinen fragenden Blick zu bemerken und erklärte: »Das, was Malon getan hat, ist schrecklich. Wegen ihm ist Korin tot. Doch entschuldigt das nicht das Verhalten unserer Männer. Ich kann mir denken, wie wichtig es dir ist, den zu finden, den du suchst. Deswegen gebe ich dir diese Karte mit.«
»Ich danke dir vielmals, Nia. Ich weiß gar nicht, wie ich dir entgegenkommen kann.«
»Du schuldest mir keine Gefälligkeiten. Wenn du das nächste Mal hier bist, bleibst du ein paar Tage länger - das genügt mir schon.« Sie zwinkerte ihm verschmitzt zu.
Noch bei Dunkelheit verließ er Okrai durch das Osttor. Allan war froh, dass ihn niemand gesehen hatte. Trotz der unerwarteten Geste Nias, die ihm sehr helfen würde, fragte er sich immer noch, was mit Malon geschehen würde. In diesem Augenblick fiel ihm ein, dass er sich überhaupt nicht von Sinalia verabschiedet hatte. Dafür war einfach keine Zeit gewesen, da er ohne weitere Unannehmlichkeiten die Stadt hatte verlassen wollen. Wenn er Igos gefunden hatte, würde er zurückkehren und ihr alles erklären.
Er holte die Karte hervor, die Nia ihm gegeben hatte. Er fragte sich, wo sie die herhatte. Sie schien ziemlich alt zu sein. Das Papier war vergilbt und fleckig und die Kanten drohten bereits zu zerfallen. Er musste achtgeben, dass sie ihm nicht unter seinen Fingern auseinanderfallen würde. Er blickte vor sich und konnte am Horizont das Nebelgebirge erkennen. Es war ein Gebirge, das - welch´ Überraschung - im dichten Nebel verborgen lag. Nia hatte ihm Proviant mitgegeben, doch davon benötigte er noch nichts. Er hatte erst am Abend zuvor eine Mahlzeit von ihr bekommen. Die Tavernenbesitzerin hätte ihm garantiert nichts zubereitet, also hatte Nia sich bereit erklärt, in ihrer privaten Küche etwas für ihn zu kochen. Sie war genauso liebenswürdig und zuvorkommend wie die Nia aus dem Piron-Wald. So könnte er sich sein Proviant gut einteilen. Er wusste schließlich nicht, wie lange er dieses Mal unterwegs sein würde. Er hoffte, Igos bald zu finden.
Er spürte, dass jemand hinter ihm her war. Doch wer es auch war, ohne die Kenntnisse über den Weg durch das Nebelgebirge, würde sein Verfolger sich hier verlaufen und verloren gehen. Er ahnte, wer es war, das interessierte ihn jedoch nicht. Ihm war nur wichtig, sein Ziel zu erreichen und seinen Plan in die Tat umsetzen zu können. Da würde ihm auch dieser
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