Allan Quatermain
strecken ihre Hände nach Dir aus und wachsen auf in dem Glanze Deines Lichts;
Die Greise kriechen hervor, Deine Strahlen zu spüren, und sie erinnern sich ihrer einstigen Stärke, so Deine Strahlen sie küssen;
Nur die Toten vergessen Dich, o Sonne!
Und wenn Du ergrimmt bist, hältst Du Dein Antlitz verborgen; Und Du ziehst einen dicken Vorhang aus Schatten vor Deinen Leib.
Dann erkaltet die Erde, und der Himmel verzagt;
Und sie erzittern; und der Klang ihres Zitterns ist der Hall des Donners;
Sie weinen, und ihre Tränen sind der Regen;
Sie seufzen, und die wütenden Winde sind der Klang ihrer Seufzer.
Und die Blumen sterben, und die Frucht auf dem Felde erschlafft und erbleicht;
Und die Greise und Kinder gehen wieder in die Hütten zurück, Wenn Du Dein Licht verbirgst, o Sonne!
Sag an, wer bist Du, o Glanz ohnegleichen –
Wer trug Dich in die Höhen des Himmels, o Du flammender Zorn?
Wo war Dein Anfang, und wann wird der Tag sein, da Du vergehst?
Du bist das Kleid des lebendigen Geistes * .
Du wirst nicht vergehen, wenn Deine Kinder schon vergessen sind;
Nein Du wirst niemals enden, denn Du bist die Ewigkeit!
Du thronest dort oben in deinem goldenen Haus und missest die Jahrhunderte.
O Vater allen Lebens! O Sonne, die die Finsternis vertreibt!
An dieser Stelle unterbrach Agon seinen feierlichen Gesang, der, auch wenn er sich nur noch sehr arm und dünn ausmacht, nachdem ich ihn durch die Mühle meiner Übersetzung gedreht habe, im Original wirklich wunderschön und äußerst beeindruckend ist. Und dann, nach einem kurzen Moment der Stille, hob er den Blick zu der Öffnung in der Kuppel des Tempels und rief –
O Sonne, steig herab auf Deinen Altar!
Während er noch sprach, geschah etwas Wunderbares: Von der Höhe der Kuppel blitzte ein herrlicher Strahl goldenen Lichtes herab und zerschnitt das düstere Zwielicht in der Halle wie ein Flammenschwert. Es fiel direkt auf die Sitze des goldenen Blütenkelches über dem Altar, und wie von Geisterhand bewegt öffnete sich die herrliche Blume, und die goldenen Blätter sanken ringsum auf den Boden um den Altar, in dessen Mitte die ewige Flamme loderte. Im selben Moment bliesen die Priester einen hallenden Fanfarenstoß, und aus tausend Mündern zugleich erklang ein Ausruf der Lobpreisung, der sich in dem Kuppeldach brach und von den Marmorwänden zurückhallte. Und nun schien das Licht der Sonne voll auf die emporzüngelnde heilige Flamme; sie flackerte, sank in sich zusammen und verschwand in der Tiefe des Altars, aus der sie sich erhoben hatte. Als sie gänzlich versunken war, hallte erneut der Ton der Fanfaren durch die Halle, und wieder erhob der greise Priester die Hände und rief –
Wir bringen Dir Dein Opfer dar, o Sonne!
Ich blickte aus den Augenwinkeln hinüber zu Nylephta; ihr Blick war auf die Messingplatte geheftet.
»Aufgepaßt!« rief ich. Gleichzeitig sah ich, wie Agon sich nach vorn beugte und etwas an dem Altar berührte. Im selben Moment trat ein roter Schimmer auf das weiße Meer von Gesichtern um uns herum, dann wurden die Gesichter wieder ganz bleich, und die Menge hielt den Atem an. Nylephta beugte sich vor und schlug unwillkürlich die Hände vors Gesicht. Sorais neigte den Kopf zur Seite und sprach im Flüsterton mit dem Hauptmann der königlichen Leibgarde. Und da glitt direkt vor unseren Augen mit einem quietschenden Geräusch die Bodenplatte aus Messing zur Seite und gab den Blick frei auf einen glatten Marmorschacht, der in einen wütend brausenden Ofen direkt unter dem Altar mündete. Dieser Ofen war so groß und seine hell lodernden Flammen waren so heiß, daß sie glatt den Achtersteven eines Kriegsschiffes zerschmolzen hätten!
Mit einem Schrei des Entsetzens sprangen wir zurück. Alphonse war vor Schreck so gelähmt, daß er beinahe in die Glut hinabgestürzt wäre, hätte Sir Henry ihn nicht in letzter Sekunde, als er schon über dem Abgrund taumelte und zu verschwinden drohte, mit starker Hand gepackt und zurückgerissen.
Sogleich erhob sich ein beängstigender Tumult, und wir vier stellten uns Rücken an Rücken, um unsere Haut so teuer wie möglich zu verkaufen. Alphonse raste wie ein Wilder um uns herum und versuchte verzweifelt, zwischen unsere Beine zu kriechen und sich dort zu verstecken. Wir hatten alle unsere Revolver dabei. Man hatte uns zwar höflich, aber bestimmt, unsere Gewehre abgenommen, als wir den Palast verließen, aber diese Leute wußten natürlich nicht, was ein
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