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Allan Quatermain

Allan Quatermain

Titel: Allan Quatermain Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Rider Haggard
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Das mag zwar banal oder vulgär klingen, aber vielleicht verdeutlicht es meine Meinung weit besser als irgendwelche geschliffenen Äußerungen.
    Vor den Toren des Tempels wurde unsere Gruppe von einer Abteilung Wachsoldaten empfangen, die offensichtlich der Befehlsgewalt eines Priesters unterstand. Die Soldaten führten uns in einen der ›Blütenhöfe‹ (so nennen die Priester die ›Strahlen‹) und ließen uns dort erst einmal eine halbe Stunde lang warten. Sofort hielten wir Kriegsrat ab; und da uns klar war, daß äußerste Gefahr für unser Leib und Leben drohte, beschlossen wir, für den Fall, daß man uns ans Leder wollte, dieses so teuer wie möglich zu verkaufen – Umslopogaas kündigte seinen festen Entschluß an, daß er dem Hohepriester Agon das ehrwürdige Haupt mit Inkosi-kaas spalten wollte. Von der Stelle aus, an der wir uns befanden, konnten wir deutlich sehen, daß eine riesige Menschenmenge in den Tempel strömte, offenbar in Erwartung eines außergewöhnlichen Spektakels, und ich konnte mich nicht ganz von dem Gedanken lösen, daß dieses Spektakel etwas mit uns zu tun hatte. An dieser Stelle möchte ich noch zur Erläuterung der Situation hinzufügen, daß jeden Tag, wenn das Sonnenlicht auf den Hauptaltar fällt, unter dem Schall der Fanfaren der Sonne ein Brandopfer dargeboten wird, welches aus dem Kadaver eines Schafes oder eines Ochsen besteht, gelegentlich auch aus Früchten oder Getreide. Dieses Ereignis findet gegen Mittag statt; natürlich nicht immer genau um zwölf Uhr, aber da Zu-Vendis nicht weit vom Äquator entfernt liegt – trotz dieser Lage hat es aufgrund seiner Höhe ein so angenehm gemäßigtes Klima –, fallen die Sonnenstrahlen fast immer gegen Mittag auf den Altar. An jenem Tage sollte das Opfer um acht Minuten nach zwölf stattfinden.
    Um Punkt zwölf Uhr erschien ein Priester, gab ein Handzeichen, und der Hauptmann der Garde bedeutete uns, daß wir nun nach vorn gehen sollten. Wir versuchten, dabei soviel äußere Gelassenheit an den Tag zu legen, wie nur eben möglich. Eine Ausnahme bildete natürlich wieder einmal der unglückselige Alphonse, dessen Zähne auf der Stelle laut zu klappern begannen. Ein paar Sekunden später waren wir aus dem Hof heraus und traten ins Innere der Halle. Dort wartete schon eine riesige Menschenmenge neugierig darauf, einen Blick auf die geheimnisvollen Fremden zu erhaschen, die das Sakrileg begangen hatten, die ersten Fremden, die – soweit die Menge wußte – seit Menschengedenken ihren Fuß auf Zu-Vendis gesetzt hatten.
    Bei unserem Erscheinen ging sofort ein aufgeregtes Getuschel und Gemurmel durch die riesige Menschenmenge, die sich ringsum bis dicht an die Wand der Halle drängte, das sich auf schaurige Art und Weise in der riesigen Kuppel brach und wie ein Echo zurückhallte, und wir sahen, daß auf dem Meer von Gesichtern eine Röte der Erregung erschien, die aussah wie der rosa Schimmer der untergehenden Sonne auf einer langgestreckten weißen Wolkenbank. Es war ein unheimlicher, alles andere als beruhigender Anblick.
    Wir schritten weiter durch eine Gasse, die sich zwischen den Leibern bildete, bis wir schließlich auf dem Messingboden auf der Ostseite des Altars standen, den letzteren direkt vor Augen. Eine Fläche im Umkreis von vielleicht dreißig Fuß um die Engelsfiguren herum war mit Seilen abgesperrt, und die Menge drängte sich dicht hinter der Absperrung. Vor den Seilen standen in einem Kreis mehrere Priester in weißen Roben mit ihren goldenen Kettengürteln und hielten lange, goldene Fanfaren in den Händen; und unmittelbar vor uns stand unser alter Freund Agon, der Hohepriester, mit seiner eigentümlichen Kappe auf dem Kopf. Er war der einzige in der riesigen Menge, der eine Kopfbedeckung trug. Wir stellten uns auf die Messingplatte, ohne zu ahnen, was für eine nette Überraschung uns darunter erwartete; ich glaubte indessen, ein seltsames Zischen wahrzunehmen, das ganz offensichtlich vom Boden herkam, und für das ich keine Erklärung fand. In den folgenden Minuten passierte überhaupt nichts, und ich ließ meinen Blick durch die Runde schweifen, um zu sehen, ob ich irgendwo die beiden Königinnen Nylephta und Sorais entdecken konnte; aber sie waren nirgends zu sehen. Zu unserer Rechten jedoch befand sich eine freie Stelle, und ich vermutete, daß sie für die Königinnen reserviert war.
    Wir warteten. Kurze Zeit später erscholl von irgendwoher der Klang einer Fanfare – vermutlich aus der Kuppel –, und

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