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Allan Quatermain

Allan Quatermain

Titel: Allan Quatermain Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Rider Haggard
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fixieren und ihre Blätter zu zählen; aber vergeblich. Nach einer Weile – ich wußte nicht, ob es an ihrem Blick lag oder an dem verführerischen Duft ihrer Haare oder weiß der Himmel woran – kam ich mir wie hypnotisiert vor. Schließlich – es kam mir vor, als hätten wir Stunden so dagesessen – erhob sie sich.
    ›Incubu‹, sagte sie, ›liebst du Macht?‹
    Ich antwortete, daß wohl alle Männer auf irgendeine Weise Macht lieben.
    ›Du sollst Macht haben‹, lautete ihre Antwort. ›Liebst du Reichtum?‹
    Ich sagte, daß ich Reichtum nicht in Bausch und Bogen verdamme.
    ›Du sollst auch Reichtum haben‹, sagte sie orakelhaft. ›Und liebst du Schönheit?‹
    Ich gab ihr zur Antwort, daß ich großen Gefallen fände an Meisterwerken der Bildhauerkunst und der Architektur. Daraufhin runzelte sie die Stirn, und dann verfiel sie wieder in Schweigen. Mittlerweile waren meine Nerven so gespannt, daß ich am ganzen Leibe zitterte. Ich wußte, irgend etwas Schreckliches bahnte sich an, aber ich war irgendwie völlig hilflos – ich stand wie unter einem Bann.
    ›Incubu‹, sagte sie schließlich, ›würdest du gern König sein? Höre, würdest du gern König sein? Schau, Fremder, ich bin gewillt, dich zum König von ganz Zu-Vendis zu machen – und zum Gemahl von Sorais, der Herrin der Nacht. Nein, schweig und hör mir zu. Keinem Mann aus meinem Volke hätte ich so das Geheimnis meines Herzens offenbart, du aber bist ein Ausländer, und daher spreche ich ohne Scham, da ich weiß, was alles ich dir anzubieten habe, und wie schwer es dir gefallen wäre, mich zu fragen. Siehe, eine Krone liegt dir zu Füßen, Incubu, und darüber hinaus eine Frau, die schon viele haben freien wollen. Und nun antworte, Auserwählter, und sanft mögen deine Wort in meinen Ohren klingen.‹
    ›O Sorais‹, antwortete ich, ›ich flehe dich an, sprich nicht solche Worte‹ – du mußt wissen, mir blieb keine Zeit mehr, nach wohlgesetzten Worten zu suchen –; ›denn dies kann nicht sein! Ich bin mit deiner Schwester Nylephta verlobt, und ich liebe sie und nur sie allein.‹
    Im nächsten Moment schoß mir durch den Kopf, daß ich da etwas Schreckliches gesagt hatte, und ich blickte sie an, um zu sehen, welches Resultat ich damit heraufbeschworen hatte. Als ich sprach, hatte Sorais ihr Gesicht in den Händen verborgen, und als sie meine Worte gehört hatte, hob sie es langsam. Ich fuhr bestürzt zurück: es war leichenblaß, und ihre Augen loderten. Sie stand vom Bett auf, und ich hörte, wie sie mehrmals schluckte. Das Schlimme bei der ganzen Sache war, daß sie völlig ruhig blieb. Dann wanderten ihre Augen zu einem kleinen Tisch, auf dem ein Dolch lag, und von dort ging ihr Blick wieder zurück zu mir, als ringe sie mit dem Gedanken, mich zu töten; sie nahm jedoch den Dolch nicht vom Tisch. Zum Schluß sagte sie etwas. Es war nur ein einziges Wort:
    ›Geh!‹
    Ich ging also. Ich war heilfroh, wieder aus ihrem Gemach heraus zu sein. So, und nun bin ich also wieder hier. Gib mir noch einen Becher Wein, sei so lieb, und dann sag mir bloß, was ich tun soll.«
    Ich schüttelte den Kopf; denn die Sache war wirklich sehr ernst. Wie sagt doch der Dichter –
     
    »Selbst die Hölle hat nicht solch Feuer
    wie der Zorn eines verschmähten Weibes«
     
    und ganz besonders, wenn das Weib eine Königin ist und Sorais heißt. Ich befürchtete in der Tat das Schlimmste, sogar unmittelbare Gefahr auch für unser Leib und Leben.
    »Wir müssen sofort Nylephta davon berichten«, schlug ich vor. »Und vielleicht wäre es in diesem Falle besser, ich ginge zu ihr und erzählte ihr alles; deinen Bericht würde sie wahrscheinlich mit Mißtrauen aufnehmen.
    Wer ist heute diensthabender Offizier ihrer Garde?« fuhr ich fort.
    »Good.«
    »Ausgezeichnet! Dann besteht keine Gefahr für sie. Schau mich nicht so erstaunt an. Ich glaube nicht, daß ihre Schwester davor zurückschrecken würde. Wir müssen wohl Good erzählen, was passiert ist.«
    »Ach, ich weiß nicht so recht«, erwiderte Sir Henry. »Es würde ihn fürchterlich treffen. Der arme Bursche! Du weißt doch, wie sehr er sich für Sorais interessiert.«
    »Das ist wahr. Und außerdem – vielleicht brauchen wir es ihm wirklich nicht zu erzählen. Er wird die Wahrheit noch früh genug erfahren. Und nun paß gut auf, was ich dir sage; du wirst dich meiner Worte noch erinnern. Sorais wird sich mit Nasta zusammentun, der oben im Norden sitzt und schmollt; schließlich teilen beide nun das

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