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Allan Quatermain

Allan Quatermain

Titel: Allan Quatermain Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Rider Haggard
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Schatten seiner selbst heruntergehungert, um ihr zu gefallen; sein sonst so volles Gesicht war schon so hager geworden, daß er Mühe hatte, sein Monokel fest ins Auge zu klemmen; und sie ermunterte ihn in einer Art sorgloser Koketterie immer wieder soweit, daß er glauben konnte, berechtigte Hoffnungen zu hegen, sie eines Tages zu erobern. Zweifellos verfolgte sie damit die Absicht, sich den armen Kerl für ihre Zwecke warmzuhalten. Ich versuchte, ihn so behutsam wie nur eben möglich darauf hinzuweisen – mit dem Erfolg, daß er sich zutiefst beleidigt von mir abwandte. Also entschloß ich mich schweren Herzens dazu, ihn gewähren zu lassen, aus Furcht, alles nur noch schlimmer zu machen. Der arme Good ahnte gar nichts wie sehr er sich in seinem Liebeskummer zum Clown machte. In der Hoffnung damit seinem Ziel ein wenig näherzukommen, verfiel er in alle möglichen Tollheiten. Schließlich setzte er seinem Wahn die Krone auf, indem er – mit Hilfe eines der gesetzten, ehrwürdigen alten Herren, die uns unterrichteten – ein endloses Liebeslied auf Zu-Vendi verfaßte (der alte Herr mag zwar sehr gebildet gewesen sein; Verse zu schmieden war jedenfalls nicht seine starke Seite). Der sich ständig wiederholende Refrain dieses schauerlichen Machwerks war: »Ich will dich küssen; o ja, ich will dich küssen!« Nun ist es bei den Zu-Vendi ein sehr verbreiteter und harmloser Brauch, daß junge Männer des Abends ihrer Angebeteten vor dem Fenster ein Ständchen darbringen und allerlei liebestolle Liedchen schmettern, wie man es meines Wissens nach auch recht häufig in südeuropäischen Ländern findet. Ob der junge Mann dabei ernste Absichten verfolgt oder nicht, spielt dabei keine Rolle; jedenfalls werden solche Ständchen nicht als Beleidigung aufgefaßt. Man hat halt seinen Spaß daran, und selbst Damen höchsten Ranges fassen das ganze Spektakel etwa so auf, wie ein englisches Mädchen etwa ein freundliches Kompliment auffassen wurde.
    Sich diesen Brauch zunutze machend, beschloß der gute Good also, Sorais ein Ständchen zu bringen. Ihre Privatgemächer lagen, gemeinsam mit denen ihrer Zofen, direkt den unsrigen gegenüber, das heißt, auf der gegenüberliegenden Seite eines engen Hofes, der einen Teil des riesigen Palastes vom anderen trennte. Nachdem er sich mit einer der landesüblichen Zithern bewaffnet hatte, auf der er in seiner Eigenschaft als passabler Gitarrenspieler recht schnell gelernt hatte, ein paar Akkorde zu zupfen, begab sich der Unglücksrabe zu mitternächtlicher Stunde – also genau der passenden Zeit für derartiges Katzengejammer – vor das Fenster seiner Angebeteten, um sein Liebesgeschluchze ertönen zu lassen. Ich schlief schon fest, als sein Gegreine anfing, aber es machte mich auf der Stelle hellwach – denn Good besitzt eine gewaltige Stimme und hat darüber hinaus kein Zeitgefühl. Ich sprang aus dem Bett und rannte ans Fenster, um zu sehen, was los war. Und unten, im vollen Mondlicht, stand Good. Er trug einen riesigen Kopfschmuck aus Straußenfedern und ein flatterndes Seidengewand – wohl genau das Passende bei einer derartigen Gelegenheit – und gab mit grölender Stimme das abscheuliche Lied zum besten, das er und der alte Herr fabriziert hatten. Dazu klimperte er abgehackt auf der Zither herum. Es war wirklich ein ohrenbetäubender Alptraum. Aus der Richtung der Zofengemächer erklang ein leises Kichern; hinter den Fenstern von Sorais hingegen – die ich, sofern sie überhaupt da war, wirklich aus tiefster Seele bedauerte – blieb alles totenstill. Als der entsetzliche Gesang mit seinem ewigen »Ich will dich küssen!« überhaupt kein Ende nehmen wollte, hielten weder ich noch Sir Henry, den ich herbeigerufen hatte, damit auch er sich an dem Anblick ergötzen konnte, es länger aus; ich steckte den Kopf durch die Fensteröffnung nach draußen und brüllte: »In drei Teufels Namen! Red nicht soviel drumherum, sondern geh endlich zu ihr hoch und küß sie, damit wir endlich schlafen können!« Das brachte ihn dann doch zum Schweigen, womit das Ständchen beendet war.
    Dieses mitternächtliche Ereignis war ein lustiger Zwischenfall in einer ansonsten doch recht tragischen Angelegenheit. Wir sollten wirklich dankbar dafür sein, daß selbst die ernstesten Dinge bisweilen ein bißchen Spaß mit sich bringen, wenn auch die meisten Leute diesen häufig nicht erkennen können oder wollen.
    Nun, je mehr Sir Henry sich jedenfalls zurückhielt, desto forscher ging Sorais an ihn

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