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Allan Quatermain

Allan Quatermain

Titel: Allan Quatermain Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Rider Haggard
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ja, und eine Gestalt, eine weibliche Gestalt, die das Licht trägt. Oh, Gott sei Dank, es ist die Königin selbst, die Weiße Königin; sie ist unverletzt! Da steht sie vor uns in ihrem Nachtgewand. Der Lärm unserer Ankunft hat sie geweckt, und sie ist aus ihrem Bette aufgestanden. Sie ist noch benommen vom Schlafe, und die Röte der Furcht und der Scham bedeckte wie ein Tuch ihre liebliche Brust und ihre Wange.
    »Wer ist da?« ruft sie voller Angst. »Was hat dies zu bedeuten? Oh, Macumazahn, du bist es. Warum siehst du so verwirrt und erschöpft aus? Du scheinst mir wie einer, der schlimme Kunde bringt – und mein Gebieter – oh, bitte, sage mir nicht, daß mein Gebieter tot ist!« Sie brach in Tränen aus und rang ihre weißen Hände.
    »Als ich Incubu verließ, war er zwar leicht verwundet, aber er führte dennoch den Vorstoß unseres Heeres gegen Sorais gestern abend bei Sonnenuntergang; darum mag dein Herz sich beruhigen. Sorais ist auf ganzer Linie zurückgeschlagen, und deine Streitmacht hat die Oberhand gewonnen.«
    »Ich wußte es!« rief sie triumphierend. »Ich wußte, er würde obsiegen; doch sie nannten ihn einen Ausländer und schüttelten ihre weisen Häupter, als ich ihm das Kommando übertrug! Gestern abend bei Sonnenuntergang, sagst du, und noch hat der Morgen nicht gegraut. Gewiß ...«
    »Wirf einen Mantel über deine Schultern, Nylephta«, unterbrach ich sie, »und gib uns Wein zu hinken; ja, und rufe schnell deine Zofen herbei, wenn dir dein Leben lieb ist. Säume nicht! Rasch nun!«
    Solchermaßen inbrünstig gebeten eilte sie zum Vorhang ihres Gemaches und rief etwas in einen dahinterliegenden Raum. Dann schlüpfte sie hastig in ihre Sandalen und warf sich einen warmen Mantel über. Mittlerweile hatte sich der Raum schon mit etwa einem halben Dutzend halbbekleideter Frauen gefüllt.
    »Folgt uns und gebt keinen Laut von euch«, sagte ich zu ihnen. Sie starrten mich verwundert an und hielten sich aneinander ängstlich fest. Dann gingen wir in das erste Vorzimmer.
    »Nun«, sagte ich, »gebt uns Wein zu trinken und Nahrung so ihr welche habt, denn wir sind dem Hungertode nahe.«
    Der Raum diente als Messe für die Offiziere der Leibgarde. Man brachte uns schnell mehrere Flaschen Wein aus einem Schrank und ein wenig kaltes Fleisch. Hungrig fielen Umslopogaas und ich darüber her, und bald fühlten wir, wie mit dem guten Wein auch wieder neues Leben in unsere Venen rann.
    »Horche, Nylephta«, sagte ich, als ich das leere Seidel absetzte. »Hast du hier unter deinen Zofen solche, die zuverlässig und verschwiegen sind?«
    »Gewiß.«
    »Dann heiße sie, durch eine Seitentür den Palast zu verlassen, auf die Straße hinauszugehen und jeden Bürger, von dem du weißt, daß er dir treu ergeben ist, zu bitten, daß er bewaffnet hierherkomme. Sie sollen alle ehrenhaften Leute versammeln, um dich vor dem Tode zu erretten. Nein, stelle mir keine Fragen; tu, wie ich dir sage, rasch! Kara wird die Mädchen hinauslassen.«
    Sie blickte in die Runde, wählte zwei aus dem Kreise der Zofen aus und wiederholte meine Worte. Dann nannte sie ihnen die Namen der Männer, zu denen sie gehen sollten.
    »Eilet schnell und lasset euch nicht erblicken; eilet, als ginge es um euer eigenes Leben«, fügte ich hinzu.
    Im nächsten Moment verschwanden sie schon zusammen mit Kara, den ich beauftragt hatte, uns an dem Tor, das den großen Hof mit der Treppe verband, zu erwarten, sobald er die Tür hinter den Mädchen geschlossen hatte. Dann gingen auch Umslopogaas und ich zu dem vereinbarten Treffpunkt, gefolgt von der Königin und ihren Dienerinnen. Während wir gingen, bissen wir gierig große Stücke von dem kalten Fleisch ab. Zwischen den einzelnen Bissen erzählte ich der Königin, was ich von der Gefahr wußte, die ihr drohte, und in welchem Zustand wir Kara vorgefunden hatten, und daß alle Gardisten und Diener fortgelaufen waren, und daß sie ganz alleine mit ihren Zofen und Dienerinnen im Palast war. Daraufhin berichtete sie mir, in der ganzen Stadt hätte sich das Gerücht verbreitet, daß unsere Armee völlig vernichtet worden sei, und daß Sorais im Triumphe auf Milosis marschiere. Daraufhin seien alle Männer von ihr, Nylephta, abgefallen.
    Auch wenn es eine ganze Weile dauert, all dies zu erzählen, so waren doch kaum mehr als sechs oder sieben Minuten vergangen, seit wir den Palast betreten hatten. Zwar glänzte die hehre goldene Kuppel des Tempels bereits hell in den ersten Strahlen der aufgehenden Sonne,

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