Allan Quatermain
stapeln – weniger würde nicht ausreichen; das wußte ich. Doch die Mädchen mußten jedesmal vierzig Yards mit den schweren Blöcken laufen, und dann vierzig Yards zurück, und obwohl sie sich bis zum Umfallen verausgabten – manche wankten sogar alleine, mit einem riesigen Block bepackt, zum Tor, wuchs die Mauer nur sehr langsam, erschreckend langsam.
Es wurde nun immer heller. Plötzlich vernahmen wir, wie aus weiter Ferne, vom unteren Ende der Treppe her, das leise Klirren von Waffen erklang. Der Wall war erst zwei Fuß hoch, obwohl wir schon seit acht Minuten damit beschäftigt waren, ihn aufzuschichten. Nun waren sie also gekommen; Alphonse hatte richtig gehört.
Das klirrende Geräusch kam näher. Ich blickte durch die Öffnung, und in dem gespenstischen Licht des Morgengrauens sah ich, wie etwa fünfzig Männer in langer Reihe langsam die Treppe heraufkamen. Sie befanden sich jetzt auf der Plattform zwischen den beiden Fluchten, die auf dem großen, freischwebenden Bogen ruhte. Auf einmal blieben sie stehen; sie schienen zu bemerken, daß oben irgend etwas im Gange war. Wir gewannen kostbare Minuten. Mehr als drei Minuten verharrten sie unschlüssig und berieten sich, bevor sie langsam und vorsichtig weiterstiegen.
Inzwischen war etwa eine Viertelstunde vergangen, seit wir mit der Arbeit begonnen hatten. Die Mauer war jetzt knapp drei Fuß hoch.
Es war Zeit, Umslopogaas zu wecken. Der große Mann stand auf, reckte sich und schwang Inkosi-kaas über seinem Haupte.
»Es ist gut«, sagte er. »Ich fühle mich noch einmal wie ein junger Mann. Meine Kraft ist in meinen Leib zurückgekehrt, ja, mein Körper ist wie eine Lampe, die noch ein letztes Mal aufflackert, bevor sie erlischt. Sorge dich nicht und habe keine Furcht; ich werde einen guten Kampf liefern; der Wein und der Schlaf haben mir ein neues Herz gegeben.
Macumazahn, ich träumte einen Traum. Ich träumte, daß du und ich zusammen auf einem Stern standen; wir blickten herunter auf die Erde, und du warst ein Geist, Macumazahn, denn das Licht schien durch dein Fleisch. Ich konnte jedoch nicht sehen, ob mein eigener Körper auch schon ein Geist war. Unsere Stunde ist gekommen, alter Jäger. So soll es denn geschehen: wir haben unser Leben gelebt und unsere Uhr ist abgelaufen; ich wünschte nur, ich hätte in meinem Leben mehr solcher Kämpfe wie den gestrigen erlebt.
Man soll mich begraben nach dem Brauch meines Volkes, Macumazahn, mein Blick soll auf Zululand gerichtet sein.« Dann nahm er meine Hand, schüttelte sie ein letztes Mal und stellte sich dem heranrückenden Feind entgegen.
Im selben Moment kletterte zu meiner großen Überraschung auch der Zu-Vendi-Offizier Kara über unsere improvisierte Mauer. Er tat dies in seiner ruhigen, entschlossenen Art, ohne ein Wort darüber zu verlieren. Er bezog neben dem Zulu Stellung und zückte sein Schwert.
»Was, kommst du auch?« rief der alte Krieger freudig überrascht. »Willkommen – ein Willkommen für dich, tapferes Herz! Ho! für den Mann, der sterben kann wie ein Mann; ho! für den Griff des Todes und das Klingen des Stahls. Ho! wir sind bereit. Wir wetzen die Schnäbel wie Adler, und unsere Speere glänzen im Lichte der aufgehenden Sonne; wir schwingen unsere Waffen und sind hungrig zu kämpfen. Wer kommt als erster, Inkosi-kaas zu begrüßen? Wer will als erster ihren Kuß schmecken, dessen Frucht der Tod ist? Ich, der Specht, ich, der Schlächter, ich, der Schnellfüßige! Ich, Umslopogaas, vom Stamme der Maquilisini, vom Volke der Amazulu, Hauptmann des Regiments der Nkomabakosi: Ich, Umslopogaas, Sohn des Indabazimbi, dem Sohne des Arpi dem Sohne des Mosilikaatze. Ich, Umslopogaas, vom königlichen Geblüte des T'Chaka, ich, aus dem Hause des Königs, ich, der Träger des Ringes, ich, der Induna, ich fordere euch heraus! Ich erwarte euch! Ho! Wer wagt es als erster?«
Während er so sprach, oder besser, sang, und sein grimmiger Kriegsruf schauerlich durch die Stille des Morgens hallte, stürmten die bewaffneten Verschwörer, unter denen ich im Lichte der aufgehenden Sonne Nasta und Agon erkannte, mit erhobenen Speeren die Treppe hinauf. Ein riesiger Bursche nahm, allen voran, mit mächtigen Sätzen die letzten Stufen, schwang seinen schweren Speer und stieß mit aller Kraft nach dem riesigen Zulu. Umslopogaas wich mit einer schnellen Drehung des Oberkörpers zur Seite, wobei er nicht einmal seine Beine bewegte, der Stoß ging ins Leere, und im nächsten Augenblick krachte Inkosi-kaas
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