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Allawa

Allawa

Titel: Allawa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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Schule, diese Schule, und die schrecklichen Schulaufgaben. »Sicher würde es Primus auch schlecht, wenn man ihm Kartoffeln in den Hals stopfte, anstatt ihn selber fressen zu lassen, wie er will .«
    »Geh«, sagte meine Mutter, »sprich doch nicht immer so dumm in Bildern .«
    Dumme Bilder, niemand versteht mich. Daß mir die Schule im Hals steckenblieb, zum Ersticken, war wohl auch schon wieder ein Bild. Sogar die schöne Geometrie wurde mir verdorben, weil der Lehrer tollwütete, und im schönen Latein war »Primus inter pares« noch gar nie vorgekommen, und zeichnen durfte man nur Vasen oder Stühle, keine Pimis .
    Komisch, daß ich gemeint hatte, mit meinem eigenen Hund würde die Schule und alles anders. Meine Mutter war dagegen gewesen, mein Vater dafür, aber ich hatte mich weder verschlechtert noch verbessert; es war gleich geblieben. Vielleicht kann durch einen Hund überhaupt nichts auf der Welt anders werden, nie? Immer muß man etwas, obwohl er treu danebenherläuft.
    Ich ging schon seit zwei Jahren nicht mehr gern zur Schule. Aber die Krankheit hatte mich aus dem Trott gebracht, jetzt kam mir alles unerträglich fremd und sinnlos vor.
    Die einzige Lösung schien ein Internat zu sein. Meine Eltern brachten mich dorthin.

    Primus bildete sich in diesen nächsten Jahren autodidaktisch weiter. Für jedes Lebewesen fand er eine andere virtuose Technik; Geflügel, Katzen, Frösche, Schlangen, Mäuse, Vögel, Schmetterlinge, nichts zu flink, zu wehrhaft, zu klein. Motten zog er staubsaugend aus den Ritzen, Igel drehte er um und stemmte sie auf. Verwundungen steigerten seine Mordlust, Zurufe beachtete er nicht.
    Wo kein Hund in Sicht war, wurde er freigelassen (immer an der Leine ist kein Leben), aber manchmal tauchte doch plötzlich einer auf. Er fiel jeden ohne Unterschied an, sofern es ihm gelang, ob es nun Hündinnen, Welpen oder Rüden waren, ob sie sich unterwerfen wollten oder flüchteten. Ein Maulkorb nach Maß machte ihn schwermütig, die weiche schwarze Schnauze quoll mitleiderregend durch das Ledergitter; besser doch nur Leine, zumal er auch trotz Maulkorb kämpfte.
    Nach größeren Raufereien waren meine Eltern mehrmals nahe daran, seine Hinrichtung zu beschließen. Aber er rührte, entwaffnete, bestach, er gehörte zu uns; lieber richteten sie ihre Nerven hin, indem sie noch ängstlicher ausspähend spazierenschlichen , noch geistesgegenwärtiger ihm zuvorkamen und mit zitternden Knien der Gefahr entrannen.
    Für kurze Zeit konnten sich beide erholen, wenn ich sie ferienweise ablöste. Diese Pausen allein hätten nicht genügt, aber als Primus fünfjährig war, kündigte sich eine entscheidende Wendung an. Nicht daß er sich bekehrt hätte, gewiß nicht, sondern weil meine Eltern wieder aufs Land ziehen wollten. Dort, das wußten wir schon, würde er in einem weiten, umzäunten Naturpark leben können.

    Vorläufig wohnten wir noch in der Stadt, und ich kam in die Ferien. Hörte von den Untaten, sah die Vorsichtsmaßnahmen. Ein kleines Dach über der Klinke am Gartentor sollte verhindern, daß er auf die Straße ausbrach; er konnte jetzt jede Tür sehr schnell öffnen, gleichgültig in welche Richtung. Dann war ein hohes Drahtgitter errichtet worden, um ihn vom Hauseingang fernzuhalten; er hätte sonst, stumm hinter dem Gartentor blickend, Briefträger oder Lieferanten verscheucht. Und so fort.
    Unser Wiedersehen betanzte er so glücklich wie von jeher — und ich, noch fremdelnd, kam erst in diesem Augenblick nach Hause. Stattlicher war er, breiter im Nacken, kühner im Gesicht, um ein paar frische Narben älter, aber der Blick genauso ehrlich, so offen bis ins Herz. Bieder, hatte im >Kosmos< gestanden; ich war es nicht, aber er durch und durch. Und zärtlich auch; gleich legte er wieder welpenhaft unschuldig sein Kinn auf meine Knie, wackelte mit dem Kopf, faltete mehrmals das Maul, um zu schlafen.
    »Weißt du, wie ein Maulfalter aussieht ?« fragte ich meine Mutter.
    »Hm — pelzig, schwarzes Gesicht, falls ich nicht irre?«
    Am nächsten Tag sollte Kuchen beim Bäcker geholt werden. Gut, Pimi und ich. Beide Eltern sagten, das ginge nicht mehr, man brauchte zwei freie Hände für Leine und Peitsche, und ich müßte ja mit zwei Händen den Kuchen tragen.
    Ich war erstaunt. »Er wird doch nicht ziehen, wenn ich etwas tragen muß !«
    »Aber wenn ein Hund kommt!«
    »Ich weiß, aber wenn er weiß, daß ich keine Hand frei habe, zieht er sicher nicht .«
    Auf dem Rückweg natürlich begegnete uns

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