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Allawa

Allawa

Titel: Allawa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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ein anderer Hund. » Pimi , Pimi , denk an den Kuchen .« Meine Stimme klang flehentlich, denn die Leine hing unter dem Kuchen an meiner Hand. Er klappte die Ohren rasch etwas herunter, das hieß: Also später, schon gut.
    Er war überhaupt immer fair, auf seine Art. Deshalb eben nahmen meine guten Eltern so viel Schreckliches in Kauf: sein Wahnsinn hatte Methode, gewisse Regeln galten, er reagierte nicht unberechenbar. Menschen fiel er zwar brüllend an, aber ohne zu beißen, sie standen dann ohnedies still, bis wir herbeirannten. Ihm vorgestellte Gäste oder Handwerker ließ er ungeschoren, erkannte sie auch unfehlbar wieder. Frauen tat er von vornherein nichts.
    Die ganze Familie lernte das wachsame Vermeiden von Überraschungsmomenten. »Wo ist der Hund« war die erste Frage, man ging den Besuchern voraus, verriegelte Verandatüren, ehe die Konversation begann. Schlimmstenfalls fing man ihn im Flug ab, wenn er geräuschvoll heranbrauste; er hätte es unsportlich gefunden, dem Gast dann noch übelzuwollen.
    Mir suchte er kein Tierchen zu entreißen, das ich in die Hände nahm. Er ließ auch jedes Opfer los, wenn ich seinen Namen rief. Bei Hundekämpfen allerdings konnte er im Getobe, im Rausch nicht hören, ich mußte ihn hochreißen und ihm die Luft abschnüren. Am raschesten glückte das, wenn ich nicht am Würgering zog, sondern behandschuht das Halsband packte und die Hand umdrehte wie einen Knebel.
    Aber er lief artig neben meinem Rad, erstaunlich. Und als ich ihn einmal vor einem Schafstall anband und mit einem jungen Hirtenhündchen auf dem Arm herauskam, begleitete er mich freundlich nach Hause, wo ich es meinen Eltern zeigte, und freundlich wieder zum Schäfer zurück. Kein Zweifel, im Kern war er gut, nur in irgendwelche Mißverständnisse , dann in feste schlechte Gewohnheiten geraten.

    Der eine Möbelwagen wurde am Vortag gefüllt. Primus begriff die Arbeit der Kistenpacker und gab seine Genehmigung. Unzulässig fand er jedoch, daß diese Leute unser Eigentum hinaustragen wollten. Er zwang den Oberpacker, die Beute abzustellen, wurde seinerseits verhaftet, stürzte vervielfältigt durch mehrere Türen zugleich zum Ausgang zurück und wartete schließlich angekettet, vorwurfsvoll augenrollend, wann uns der Ernst der Lage klar würde.
    Am Umzugstag fuhr ich im Viehwagen mit ihm voraus; ihn in der Enge eines Coupes zu bändigen, falls ein anderer Hund einstieg, erschien auch mir zu gefährlich. Im Grund war ich nie so tollkühn, wie meine Familie oft dachte: ich berechnete einfach, ob seine Reaktionsbahnen, unser Kontakt und die äußeren Bedingungen ein Wagnis erlaubten oder nicht.
    Im Viehwagen also kamen wir unversehrt, unversehrend an und schritten das neue Revier ab. Er wußte sofort, daß es unser Boden war, wollte sich gerne hier einarbeiten und für Ordnung sorgen. Zu seiner Befriedigung wurde alsbald unsere gesamte Habe abgeliefert; er attackierte keinen der Hereintragenden, schien für den hünenhaftesten Packer sogar etwas zu schwärmen — so ungefähr sah er wohl sich selbst.
    Die Schreckenstaten waren überstanden. Dreizehnjährig hatte ich das Gedicht zerrisen , in dem nur um des Reimes willen »es zieht mich hinaus« stand; unwahres Gerede. Achtzehnjährig fand ich die Form noch deutlicher mißraten , aber den Inhalt wahrer, als ich es Primus zuliebe gewünscht hätte. Hundeort und Menschenweg rückten weit auseinander. Er wartete zu Hause, ich kam und ging.
    Nachdem wir fertig eingerichtet waren, zog es mich ins Ausland, in passende und unpassende Umgebungen, Studien, Tätigkeiten. Ich mußte meinen Horizont erweitern und an Irrtümern gescheiter werden; man kann es ja nicht wie ein Hund bei dem lassen, wo und wie man ist. Er wußte alles Nötige von den Vorfahren her, die er offenbar durch seine witternde Nase hörte, im übrigen brauchte er nur treu zu sein — vielleicht nicht einmal im übrigen, sondern auch das gaben ihm die Vorfahren ein. Ich beneidete ihn, aber was nützt das, zweibeinig fühlt man sich zu gewundenen Desorientierungsläufen gedrängt.
    Manchmal kam ich auf Wochen, manchmal auf Monate zurück. Er begrüßte mich ruhiger, aber seine Augen leuchteten wärmer, und jedesmal nahm er sofort die Gewohnheiten auf, die eben dazugehörten, wenn ich da war: er blieb beim allgemeinen Gutenachtsagen liegen, weil er wußte, daß er später mit mir ausgehen und in meinem Zimmer schlafen würde; er wartete um elf und um sechs Uhr, daß ich ihn zum Postholen, das heißt bis zum

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