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Allawa

Allawa

Titel: Allawa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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zutraulich. Alle wirkten gleich kräftig. Ich wählte den mit dem höchsten Giebeldach, daraus wird später die breiteste Domkuppel.

    Und wie soll er heißen? In Erinnerung an meinen Vater hätte ich »Primus« ja gerne mit » Secundus « fortgesetzt, aber das war zu lang und wäre in Kurzformen wie etwa » Seki « entartet. Also » Fingal , der König der einsamen Berge«, ein schnaubender und dabei edelmütiger Held. Scherzhafte oder nichtssagende Hundenamen schätzten wir nicht, diese großen Seelen verdienen Besseres.
    In der Wartezeit bis Dezember dachte ich an meine Vorfreude auf Primus, vor siebzehn Jahren. Ein unendlich langes Leben immer mit Primus — Kinder haben phantastische Vorstellungen. Noch in einem Alter, in dem sie scheinbar vernünftig beobachten, verstehen und antworten, ist ihnen das Unwirkliche wirklicher. Keine Begriffe von Zeitabschnitten, Vergänglichem; alles einander Ausschließende gleichzeitig möglich. Insofern passen sie gut zu Hunden — beide leben im Absoluten. Mein Hund, mein Mensch. Was dem widerspricht, dringt nicht ein. Hunde, bei denen zu bittere Erfahrungen diese Schutzhülle verletzen, so daß sie der Dauer nicht mehr vertrauen, sind tief geschädigt, stürzen in Ängste, verschließen sich oder werden böse, wie Kinder.
    Nur Erwachsene können mit der Zeitbegrenztheit in Frieden leben, offenbar weil eine innere Konstante es erlaubt. Wie ruhig ich jetzt denke, im Gegensatz zu damals: wenn alles gut geht, lebt dieser Fingal , bis ich ungefähr vierzig bin. Dann vielleicht ein dritter. Man wird ja sehen, ob ich selbst so lange lebe.

    Ich wog immer wieder die Unterschiede zwischen den Lebensaltern. Da ich jetzt von meinem Hund nichts Ungeheures erwartete — kein mirakulöses Beseitigen eigener Schwierigkeiten wie damals — rückte »der Hund an sich« in den Vordergrund. Es mochte ein gewisser Verlust sein, die großen Hoffnungen nicht mehr zu fühlen, aber dadurch wurde die Sicht etwas freier. Eine Vorahnung von objektivem Sehen. Ich vermutete, daß man von allem, was es gibt, in derselben neuen Weise fasziniert sein könnte — immer durch Einbußen gewinnend.
    Ich sah zwei Wege zu einem fernen Ziel: der eine, der mit Primus begonnen hatte, führte von großer Liebe schrittweise in das Objekt selbst, theoretisch jedenfalls, auch wenn man zeitlebens nie ganz sehend wird. Der andere Weg, der mich jetzt anzog, mußte von intensivem Objektstudium zur Liebe führen, auch wenn man ihre volle Kraft nie erreichen wird. Also gut, dachte ich wie einstmals, fahren wir theoretisch ans Meer, bald auf dem einen Weg, bald auf dem andern ein Stückchen weiter.

    Die Verantwortung war mir jetzt bewußter . Alles, was immerhin als Möglichkeit in uns liegt, das Denken-können, die Einsicht, Selbsterkenntnis, Selbstkorrektur, all das fehlt den Hunden, wir müssen es ihnen ersetzen. Ihre Instinkte taugen nicht für unsere Lebensweise. Was uns als innere Stimme lenken kann, muß für den Hund der Meister sein. Hunde haben ihre Führung außerhalb: im Menschen. Beklemmender Gedanke, daß man ein Gott für sie ist.
    Wenn Kindererzieher nicht alles bieten können, nicht so sein können, wie es ein Kind braucht, dann ist der Trost erlaubt, daß ihm vielleicht andere Menschen begegnen werden und Fehlendes geben, Schädigungen ausgleichen werden. Ein Kind hat seine Schicksalsfiguren. Außerdem gehört Schädliches in jede Entwicklung; wir kämen sonst nicht weiter als die mit Antibiotika gefütterten Schweinchen.
    Einem Hund begegnen keine andern Menschen, und Schädigung bleibt Schädigung, er kann nichts umwandeln. Wir allein sind sein Schicksal, seine sämtlichen Figuren, seine Entwicklung.
    Und die fehlende Sprache. Sprachlos darauf angewiesen, daß wir erraten, rührend vertrauensvoll, ausgeliefert. Unfähig, sich bei jemandem einen Gram von der Seele zu reden, unfähig, mit schriftlichem Gestümper, musizierend, malend eigenen Ausdruck zu suchen. Wir müssen das mitfühlende Gegenüber und die holde Kunst für sie sein.
    Große Verantwortung. Andererseits ein viel kleineres Feld als bei uns. Was alles gehört zu richtiger Kindererziehung, so daß nichts fehlt? Wie überhaupt soll das Resultat, ein richtiger Mensch, sein? Jeder anders. Aber was ein guter Hund ist, läßt sich leicht umschreiben, ob Hirten-, Jagd-, Schutz- oder Haushund, und die Erziehungspunkte sind zu überblicken.
    Möglichst objektive, selbstlose Einstellung erschien mir wesentlich. Aber unüberhörbar nagten kleine

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