Alle Familien sind verkorkst
wie Gegenstände in einem Film, die in ein leuchtendes UFO gesogen werden.
Sie stand auf und reckte sich. Um sich herum sah sie ein paar Bryan-artige Losertypen, die auffallend dicht vor ihren Monitoren klebten. Zweifelsohne stöberten sie gerade auf irgendwelchen Sex-Sites herum. Manche von ihnen machten sich die Mühe, ihren Bildschirm zu verbergen, als sie näher kam, andere ließen sich dadurch überhaupt nicht stören. Janet sah Bilder, die auf sie eher gynäkologisch als pornographisch wirkten; sie fragte sich nur, wieso Männer nach diesen ununterscheidbaren, sich stets wiederholenden Aufnahmen gierten, als würden sie eines Tages auf das ultimative Foto stoßen, das all die anderen überflüssig machte. Vor ein paar Jahren, als sie gerade begann, sich im Internet umzutun, hatte es sie irritiert, dass selbst die unschuldigsten Wörter, wenn man sie in eine Suchmaschine eingab, sogleich eine Kaskade von Schweinereien auslösten. Offenbar gab es kein sexfreies Wort in ihrer Sprache.
Sie setzte sich wieder hin ... ahhhhh ... ihr Computer vermittelte Janet eher den Eindruck, mit anderen verbunden zu sein, als es das Fernsehen je tat. Das Fernsehen gab ihr das Gefühl, ein Mitglied der Gesellschaft zu sein, aber es ließ sie sich auch wie eine Ameise unter vielen in einem Ameisenhügel vorkommen. Sie massierte sich die Finger und bemerkte, dass das Mädchen hinter dem Tresen sie anstarrte. Janet beschloss, tatsächlich noch einen Kaffee oder einen Snack zu bestellen; schließlich hatte sie das Terminal seit Stunden belegt - allerdings herrschte auch kein großer Ansturm darauf. Die Bedienung trug etwas, das aussah wie ein blaues Nachthemd, und ihre Augen waren mascaraverschmiert. Janet hatte mit den Sex Pistols 1976 den Jugendmoden abgeschworen. Von ihr aus konnten junge Leute grüne Plastikmülltüten tragen, was manche offenbar auch taten.
Janet bestellte einen Cafe Americano, den die Bedienung im Schneckentempo zubereitete und dann quer über die Theke kleckerte. Als Janet um Eiswürfel bat, um den Kaffee abzukühlen, erntete sie einen Blick, als wäre sie eine Zuchthäuslerin mit einem zerbeulten Blechnapf in der Hand. Janet sah das Mädchen freundlich an, zahlte und fügte, als hätte sie gerade den höchsten Punkt einer Achterbahn erklommen, mit strahlendem, zuckersüßem Augenaufschlag hinzu: »Du mich auch, Schätzchen.« Bis vor kurzem hätte sie nie den Mumm gehabt, einer solchen Eingebung zu folgen, aber inzwischen war eine neue Janet aus ihr geworden. Sie setzte sich wieder an ihr Terminal. Die Festplatte schnurrte. Janet verlor jedes Zeitgefühl. Sie blickte auf und fragte sich: Wo bin ich noch mal? ...In Florida. Orlando, Florida, Cape Canaveral ist eine Stunde entfernt. Meine Tochter startet am Freitag ins All.
Plötzlich war es Nachmittag. Wo war der Morgen hin? Sie bezahlte bei der schnippischen Bedienung ihre Rechnung, rief dann ein Taxi und ging hinaus, um darauf zu warten. Eine Sonnenbrille, die eher einer Taucherbrille ähnelte, schützte ihre durch die Medikamente lichtempfindlich gewordenen Augen. Sie stand auf einem Fleck trockenen, ungemähten Grases, in dem Eidechsen herumwuselten. Die Halme hinterließen winzige Schnitte an ihren Schienbeinen. Sie hörte ein Hupen und blickte in der Erwartung auf, ein Taxi zu sehen, doch stattdessen war es ... Bryan? Er war es tatsächlich, mit seinem Vokuhila-Schnitt und der typischen abgetragenen schwarzen Lederjacke, und er brodelte still vor sich hin wie ein vergrätzter Angestellter kurz vor dem Tobsuchtsanfall, das Gesicht so verkniffen und zerfurcht wie ein dressierter Schweinebraten.
»Mensch, Mom - was machst du denn hier draußen?«
Janet stieg hinten ins Auto ein. »Ich war im Internet-Café, Bryan. Seit wann bist du in Orlando? Hast du schon ins Peabody eingecheckt? Und wieso trägst du am heißesten Tag in der Geschichte des Wetters eine Lederjacke?«
»Und was machst du auf dem Rücksitz? Ich bin doch kein Limousinenservice.«
»Ich habe heute Lust, mich wie eine Königin behandeln zu lassen. Bist du schon in dein Hotelzimmer eingezogen?«
Bryan knurrte.
»Das deute ich mal als Ja. Was hat dir so die Laune verhagelt, Buster?«
»Hatte einen Riesenkrach mit Shw. Wir haben uns entsetzlich in die Wolle gekriegt.«
»Hmmm.« Janet beschloss sich zurückzuhalten. »Willst du mich nicht fragen, worum es ging?« »Vor ein paar Jahren schon. Heute? Nein.« »Sie ist eine Hexe.«
»Kannst du die Klimaanlage höher stellen?« Bryan zog
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