Alle Familien sind verkorkst
den Regler auf. »Sie wird unser Baby abtreiben.«
»Ach wirklich.« Halt dich da unter allen Umständen raus. He - Moment mal - endlich Großmutter!
»Sie hat mich nicht mal gefragt, was ich davon halte.«
»Und was hältst du davon?« Janet, das geht dich nichts an.
»Es ist das erste Mal, dass mir etwas Gutes passiert. Mein Leben hat noch nie einen Sinn gehabt, und jetzt hat es endlich einen, aber sie wird losgehen und ihn umbringen.«
Schweigen. »Mein Motel ist das dritte nach dieser Ampel auf der rechten Seite, Bryan.«
»Du wohnst nicht im Peabody?«
»Zu teuer.«
»Hätte ich mir denken können. Warum musst du immer diese Armutsmasche abziehen?«
»Bryan, woher willst du überhaupt wissen, dass Shw so etwas vorhat?«
»Sie hat immer so merkwürdig reagiert, wenn ich die Sprache auf Kinderbettchen oder Geburtsvorbereitungskurse gebracht habe. Und dann ist durch den Anrufbeantworter rausgekommen, dass sie mich angelogen hat. Ein Krankenhaustermin.«
»Dann bist du also sicher.«
»Ja.« Eine Ampel sprang auf Grün. »Vergiss es. Wie geht es dir, Mom?«
»Ganz gut. Nichts allzu Überraschendes. Aber du versuchst das Thema zu wechseln.«
»Stimmt. Es ist eben - hart für mich.«
Janet und ihr Sohn saßen stumm da, jeder in seiner eigenen Gefühlswelt. Als sie sich dem Motel näherten, fragte sie ihn, wohin er als Nächstes wolle.
»Nirgendwohin. Bloß ein bisschen durch die Gegend fahren.«
»Lass uns das doch gemeinsam tun.«
»Wirklich?«
»Warum nicht?«
Bryans Miene hellte sich auf, als hätte Janet ihm erlaubt, Schokoladenkuchenteig von den Rührstäben eines elektrischen Küchenmixers zu lecken. Er entspannte sich. »Soll ich dir mal was Lustiges über Shw erzählen?«
»Amüsier mich.«
»Sie ist nie zur Sauberkeit erzogen worden.« »Wie bitte?«
»Genau wie ich gesagt hab. Ihre Eltern haben ihr nie beigebracht, auf den Topf zu gehen. Sie fanden das patriarchalisch und bourgeois ‹ — eine Methode, ›unter dem Vorwand der Hygiene persönliche Freiheiten zu beschneiden ‹ Ihrer Meinung nach ist Hygiene äußerst spießig und sehr verabscheuenswürdig.«
»Du machst Witze.«
»Keineswegs. Das sind typische Alt -68er. Du würdest nicht glauben, was die für Müll im Kopf haben.« »Geht Shw denn jetzt auf die Toilette?« »Ja. Sie hat gesagt, als sie fünf war, hat sie sich mal umgeschaut und festgestellt, dass niemand sonst Windeln trug, und da hat sie es sich irgendwie selbst beigebracht.«
Janet sagte: »So etwas kann einem Kind schweren Schaden zufügen.« Dies war nicht der schlechteste Zeitpunkt, um die folgende Frage zu stellen: »Bryan, was genau steckt hinter Shws, äh, Namen?«
»Ach, das. Als sie sechzehn wurde, haben ihre Eltern ihr gesagt, sie solle sich selbst einen Namen aussuchen, denn der, den sie bei ihrer Geburt erhalten hatte, enge sie ein und mache sie womöglich zur gesellschaftlichen Außenseiterin.«
»Und was ist dann mit Shw?«
»Es steht für Sogetsu Hernando Watanabe - einen Helden der peruanischen Terrorgruppe Strahlendes Licht, der den Märtyrertod gestorben ist.«
»Sie konnte sich nicht einfach Lisa oder Kelly nennen?«
»Nicht Shw.«
Janet überlegte. »Wie heißt sie wirklich?« »Das will sie mir nicht sagen.«
»Bryan, wenn du dir mit vierzehn einen Namen hättest aussuchen können, welchen hättest du genommen?«
»Ich? Wade. Ich war schon immer neidisch auf seinen Namen.«
»Vielleicht sollten wir ins Hotel fahren«, sagte Janet. »Und uns mit Wade zum Mittagessen treffen. Er ist jetzt dort.«
»Er hätte doch eigentlich gestern Abend schon kommen sollen.«
»Das ist wieder eine ganz andere Geschichte.« Und Janet erzählte Bryan von der Kneipenschlägerei.
Das Peabody war ein Luxus-Hochhaus von der Sorte, die Janet mit Nachkriegsfilmen assoziierte, in denen tugendhafte Frauen mit Freundinnen zu Mittag aßen und Annäherungsversuchen von dunklen, geheimnisvollen Männern widerstanden, die mit ihnen aufs Zimmer gehen wollten. Unter dem Baldachin über dem Eingang hatte sich eine kleine Menschenmenge versammelt, an deren Spitze Janet Sarah und einen weiteren Astronauten sah - Commander Brunswick?
Sarah entdeckte die beiden und winkte sie herüber. Bryan überließ den Wagen einem Hotelpagen, und dann bahnten er und Janet sich den Weg über ein Gewirr von Stromkabeln und durch eine Horde lärmender, schaulustiger Touristen. Ohne sich durch die sie umgebende Menschenmenge, den Krach und die Hitze stören zu lassen, sagte Sarah:
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