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Alle Familien sind verkorkst

Alle Familien sind verkorkst

Titel: Alle Familien sind verkorkst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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hatte er die ganze Zeit das Gefühl, dass sein Leben innerhalb der vergangenen paar Stunden zu einem Horrorfilm mutiert war, und dass dies die Sequenz war, in der der Axtmörder vor dem Haus steht und sich die nichtsahnenden Opfer ausguckt, während die Zuschauer in ihren Sesseln hin und her rutschen und »Haut ab, ihr Trottel!« brüllen.
    Es klingelte an der Tür, und Wade fuhr heftig zusammen. Es war Bryan, sein depressiver Bruder, in durchnässten Secondhandklamotten - immer noch, in seinem Alter-, er hatte eine Rasur nötig, seine Augen waren blutunterlaufen, und das Ganze krönte eine gepflegte Vokuhila-Frisur.
    »Bryan, du klingelst bei Mom?«
    »Es war abgeschlossen.«
    »Ach so. Hi.«
    »Hi.«
    Ein verlegenes Schweigen folgte, während Bryan seine klatschnasse Marinejacke auszog und auf einen Stuhl warf. »Schluss mit den Formalitäten«, sagte Wade. »Hast du Hunger? Es gibt Unmengen zu essen.«
    »Nein. Aber Wein wäre schön.«
    Bryan wirkte einigermaßen aufgeräumt und trank ein Glas Weißwein mit Janet und Wade. Wade hatte den Eindruck, dass keiner von ihnen dreien besonders ehrlich war, und der Mangel an Ehrlichkeit machte das Gespräch hölzern. Sie hielten sich an Nachbarschaftsklatsch und Sarahs Karriere, doch Wade war sich der tief schürfenderen, nicht gestellten Fragen bewusst: Ist Mom dabei, vor Einsamkeit zu implodieren? Steht Bryan am Rande eines weiteren Zusammenbruchs? Man könnte glauben, Dad hätte nie existiert. Und warum fragen sie mich nicht nach meinem Leben? Nicht, dass ich ihnen etwas erzählen würde, aber ... du meine Güte -...
    Wade brach die Verschwörung des Schweigens. »Bryan«, sagte er, »du hast, wie oft - dreimal? - versucht, dich umzubringen, und es ist dir nie wirklich gelungen. Bist du sicher, dass es dir tatsächlich ernst damit ist?«
    Janet sagte: »Wade! Jetzt red ihm bloß nichts ein.«
    »Nein, Mom - es ist gut, darüber zu sprechen«, sagte Bryan. »Alle tun so, als wäre nichts gewesen, aber das stimmt ja nicht.« Er registrierte die Blicke, die seine Mutter und sein Bruder ihm zuwarfen. »Ich sehe euch an, dass ihr euch fragt, ob ich es wieder versuchen werde. Und die Antwort ist nein. Aber dann überkommen mich diese Stimmungen. Ach, verdammt. Mehr weiß ich nicht.« Er schwenkte den letzten Rest Wein in seinem Glas. »Es ist deprimierend zu denken, dass meine Stimmungen nicht im Entferntesten kosmisch sind, sondern nichts weiter als das Ergebnis der faulen kleinen Serotonin-Rezeptoren in meinem Gehirn.«
    »Nimmst du irgendwas dagegen - gegen deine Depressionen?«
    »Ich hab schon alles genommen. Ich glaube nicht, dass ich mein Gehirn je wieder in seinen Ausgangszustand zurückversetzen werde.«
    Janet sagte: »Bryan arbeitet.«
    »Wirklich? Wo?«, fragte Wade.
    »Ich spiele Bass in Kneipenbands, und bei der Fersehwerbung bin ich auch ziemlich regelmäßig beschäftigt. Ich komme zurecht. Ein Fulltime-Job wäre wirklich mein Ende.«
    Es klingelte an der Tür. Die drei starrten den Flur hinunter zur Haustür, als hätten sie wie bei einer Sonnenfinsternis keinerlei Einfluss auf die folgenden Sekunden. Bryan ging aufmachen. Zong! Ted stürmte an ihm vorbei und dröhnte: »Wo ist der dreckige kleine Wichser?« Kurz nach ihm stürzte Nickie zur Tür herein. Ihr Nissan Pathfinder parkte schief auf dem Rasen direkt vor der Tür. Sie schrie: »Ted, sei kein Idiot. Du übertreibst total. Verdammt.«
    Teds Gesicht war vor Zorn blaurot angelaufen. Wade war schon mit mehr Wutausbrüchen seines Vaters konfrontiert worden, als er zählen konnte. Instinktiv wollte er seine Mutter beschützen. Er stand auf und stellte sich zwischen die beiden. Er sagte: »Dad, beruhige dich!«, doch stattdessen hob Ted eine 233er und schoss Wade seitlich in den Bauch. Die Kugel durchschlug ihn, drang direkt unter ihren Rippen in Janets rechte Lunge ein und blieb dort stecken.
    »O Gott, Ted!« Nickie ging auf Wade zu, der sich die Seite hielt, während sein Blut dort in der Küche rasch eine große Lache bildete.
    Wade war fassungslos. »Zehn Jahre in den Staaten, und nichts passiert. Kaum bin ich acht Stunden in Kanada, schon -«
    Er hörte ein Poltern, drehte sich um und sah Janet am Boden liegen. »Du hast Mom getroffen, du verdammter Irrer! Großer Gott - Bryan, ruf einen Krankenwagen. Dad, du wirst den Rest deines Lebens im Gefängnis schmoren. Ich hoffe, das war es wert.« Er beugte sich hinunter und nahm Janet in den Arm.
    Gleich darauf waren Sirenen zu hören. Ted sackte auf einem

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