Alle Familien sind verkorkst
Plastik-Küchenstuhl in sich zusammen und schwankte hin und her, weiß wie Papier.
Wade schrie: »Okay, es war ein Unfall - haben das alle verstanden? Ein Unfall. Er hat versucht, uns zu zeigen, dass er mit dieser verdammten Knarre hantieren kann wie Clint Eastwood, und er wusste nicht, dass das Ding geladen war. Fertig, aus.« Er blickte hinunter zu Janet und sagte: »Tut mir Leid, Mom - es ist meine Schuld. Es tut mir Leid.«
Nickie zwang Ted sitzen zu bleiben. Er stammelte irgendwas, den Kopf zwischen den Knien. Bryan legte den Hörer auf und kam herüber zu Wade und seiner Mutter. Er hockte sich neben sie auf den Fußboden. »Gott, Wade«, sagte er, »ich würde morden, um umgebracht zu werden.
Sanitäter stürmten zur Tür herein.
5
Als Howie vor Janets Motel vorfuhr, wirkte er verärgert und zerstreut. Soweit Janet sich erinnern konnte, war es das erste Mal, dass sie ihn nicht geradezu schwanzwedelnd gut gelaunt erlebte. Einen kurzen Moment lang hoffte sie, die Fahrt zur NASA könnte interessant werden. Sie würde sich nichts von den angeregten Mahlzeiten mit der weltraumverrückten Familie Brunswick, das Wetter, ein Stück Bindfaden, Kieselsteine, Fusseln, Stare oder die Vor- und Nachteile von Streuzucker gegenüber Zuckerwürfeln anhören müssen oder über sonst irgendetwas, das Howie gerade in den Sinn kam.
»Guten Morgen, Janet - na, ist das mal wieder ein Wetterchen hier im schönen Florida?«
Zu früh gefreut. Er redet jetzt schon übers Wetter - und das auch noch in Klischees -, und er ist wild entschlossen, quietschvergnügt zu sein. »Ja, guten Morgen, Howie.«
»Bitte einsteigen! Das Howmobil ist startklar. Auf nach Cape Canaveral!«
»Howie ...« Janet stellte sich neben sein offenes Fenster. »Ich fühle mich heute nicht besonders. Ich glaube nicht, dass ich noch so einen NASA-Zirkus überstehe - all dieses Herumgelaufe und ... Gelächel.«
Janet wartete darauf, dass Howie protestierte.
»Bist du sicher, dass du nicht mitkommen willst?«, fragte er.
»Bin ich.«
»Na gut, wir sehen uns ja bald.« »Okay.«
»Gehab dich wohl.« Und wrumm! war Howie fort. Zum ersten Mal, seit Janet ihn vor Jahren kennen gelernt hatte, hätte sie gern gewusst, was in seinem Kopf vorgehen mochte.
Ihr Mietwagen sprang nicht an. Sie ging zur Rezeption des Motels und bat den Nierendieb, ihr ein Taxi zu rufen, und bald polterte ein uralter, anscheinend von Gummiriemen und Kreppband zusammengehaltener Chrysler den Bordstein hinauf. Janet stieg ein und verlangte zu einem Internet-Café gebracht zu werden, von dem sie in einer Touristenbroschüre gelesen hatte.
Der Science-Fiction-Planet Florida mit seinen weichen Konturen und zarten Pastelltönen glitt am Taxifenster vorbei, ein Bild verschmolz mit dem nächsten. Aus der von Sträuchern und Palmettopalmen geprägten Landschaft wuchs so urplötzlich wie unmotiviert mal eine Ansammlung teurer Nobelvillen, mal ein Haufen Discount-Supermärkte für die unteren sozialen Schichten, gefolgt von einem Industriegelände und danach einer Touristenattraktion - alles Auswüchse des Strebens nach Geld.
Als sie in dem Internet-Cafe ankam, schlürften am Eingang gottlose Kinder in schwarzen Klamotten mit lässigem Gestus raffinierte Kaffeekreationen, die im Toronto ihrer Jugend garantiert als gesellschaftsgefährdend verboten worden wären. Im Hintergrund des Ladens lief irgendein Hit, der offenbar »Wumpwumpwumpwumpwumpwump« hieß. Janet ging in den hinteren Teil des Cafés, um sich einen freien Platz vor einem Computerbildschirm zu suchen.
Gott sei Dank kann ich endlich meine E-Mails lesen. Gott sei Dank kann ich mit Leuten zusammen sein, denen Technik keine Angst macht und die die Zukunft nicht fürchten.
Janet hatte dreizehn E-Mails erhalten, die meisten von Mitgliedern ihrer Medizin-Newsgroup. Sie antwortete Ursula, einer Ex-Prostituierten in Dortmund, und klinkte sich in eine Online-Diskussion über eine potenzielle mexikanische Bezugsquelle für Contergan ein, das sie gegen ihre Aphthen nahm. Janets und Ursulas ehemaliger Lieferant war in die lukrativere Sparte verbotener Diätmedikamente gewechselt, und es kursierten Gerüchte, dass die britische Firma Buckminster das Mittel in Kürze legal vertreiben würde.
Janets Summer vibrierte, und sie schluckte ihre Tabletten sowie ein Durchfallmittel so gedankenlos wie Popcorn im Kino. Die Welt draußen - Autos, Schilder und Stromleitungen - war so sehr in Licht gebadet, dass man sie kaum noch richtig erkennen konnte,
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