Alle Familien sind verkorkst
seiner Seite alles andere als entspannt und ziemlich blutleer wirkte. Sie schien den Trubel um die Astronauten und die Menschenmassen gar nicht wahrzunehmen. Und als Nickie Janets Blick begegnete, sah sie ihr tief in die Augen und begrüßte sie so herzlich, dass Janet unmöglich einfach darüber hinweggehen konnte. Janet antwortete gerade so knapp, wie sie es fertig brachte, und versuchte sich mehr auf Sarah zu konzentrieren, auf die Shw immer noch einredete. Wade war verschwunden und hatte damit eine noch unangenehmere Konstellation verhindert. Danke, Wade. Du hast was bei mir gut.
Sarah suchte nach einer Möglichkeit, das Gespräch mit Shw zu beenden. Janet fragte sich, ob sie wohl ein geheimes Stichwort hatte, um die Sicherheitskräfte zu alarmieren, damit sie kamen und Menschen verscheuchten, die sich nicht mehr anders abschütteln ließen - so wie die Queen ihren Angestellten mit ihrer Handtasche Signale sendete. Janet wollte ihrer Tochter gerade zu Hilfe kommen, als Sarah aufblickte, lächelte und sagte: »Oh, hallo, Beth.«
Beth? Janet drehte sich um, und da stand Beth in einem ihrer besten für den Kirchgang reservierten Sonntagskleider, scheinbar einem Museums-Diorama entsprungen, das das Leben im Kansas des Jahres 1907 darstellte. Shw war alles andere als glücklich darüber, dass ihr jemand die Show stahl. Sie sagte zu Beth: »Du bist also Wades Frau, hm? Was hat es denn mit diesem hinterwäldlerischen Gouvernanten-Look auf sich, hm? Du siehst aus wie ein Kühlschrankmagnet.«
Beth sagte: »Und du musst Shw sein. Hallo.« Zwei mit Handschellen aneinander gefesselte Katzen hätten mehr Freundlichkeit verströmt.
Sarah sagte zu Shw: »Beth ist religiös, Shw. Ihr müsst beide ein bisschen Rücksicht aufeinander nehmen.« Sie blickte auf und entdeckte Ted und Nickie. »Hi, Dad.«
Ted sagte zu Bryan: »He, Bryan, stell mir deine kleine Lady mal vor.«
Das hatte Shw gehört. »›Deine kleine Lady ‹ ? Von welchem Planeten stammen Sie denn?«
»Oh, Verzeihung«, sagte Ted. »Madame hat einen Namen?«
»Ja. Er lautet Shw.«
»Hä? Verzeihung, das hab ich nicht ganz mitgekriegt.« »Shw, Sie Knallkopf. S-H-W.«
Ted war völlig perplex. »Damit ich das richtig verstehe dein Name ist S-H-W - und nichts weiter?« »Genau.«
»Ich habe noch nie jemanden mit dem Namen Shw getroffen.«
»Dann haben Sie's jetzt. Ich hab ihn mir selbst ausgesucht.«
»He, Bryan - wenn du ein paar Vokale übrig hast, warum verkaufst du nicht einen davon diesem kleinen Knallfrosch hier?«
Shw erstarrte. Sie sah Ted fest in die Augen und sagte: »Sie sind ein totales Arschloch. Ich hab's Bryan erst nicht geglaubt, aber jetzt bin ich überzeugt: Sie sind ein mieser Typ, Ted Drummond. Und Sie haben Ihre Familie derart kaputtgemacht, dass sie sich nie wieder davon erholen wird. Sie müssen wirklich stolz auf sich sein.«
»Typisch Bryan, sich mit so einer hysterischen Kuh einzulassen.«
»Red nicht so über Shw«, sagte Bryan. »Sie ist schwanger, und ich will nicht, dass sie sich deinetwegen aufregt. Das könnte dem Baby schaden.«
»O Mann«, sagte Shw. »Ich werd das Ding nicht behalten, klar? Also bild dir bloß nichts ein.«
»Du wirst unser Baby nicht wegmachen lassen.«
»Doch, das werde ich, und du kannst mich durch nichts davon abhalten. Was willst du tun, mir Walzblech vor die Vagina schnallen?«
Die Menschenmenge, die diese Auseinandersetzung unweigerlich mit anhören musste, hing gebannt an ihren Lippen. Mitten in das Gezanke hinein fragte Beth Sarah: »Sag mal, Sarah - glaubst du an außerirdische Lebewesen?« Beths Lächeln war besorgniserregend liebenswürdig.
Sarah sah ihre Schwägerin an. »Ich glaube, Leben und Lebewesen sind so großzügig und weiträumig im Universum verteilt wie Pollen in einer Julibrise.«
»Dann sag mir bitte - glaubst du an Gott?«
»Lass es mich so ausdrücken: Wenn Gott tot wäre oder überhaupt nie existiert hätte, dann wäre alles erlaubt, nicht wahr? Aber es ist nicht alles erlaubt.« Sarah schwieg. Mehr hatte sie dazu nicht zu sagen.
»Aha.«
»He -«, sagte Shw zu Beth, »ist Gott Vegetarier? Du siehst aus wie jemand, der alles weiß.« »Ich verstehe deine Frage nicht.«
»Sieh es doch mal so - nehmen wir eine Schlange draußen in der Wüste, die eine Ratte frisst. Das liegt in der Natur der Nahrungskette, also ist es nichts Besonderes. Gott hat nichts damit zu tun. Und jetzt nehmen wir mal einen Löwen in Afrika, der eine Gazelle oder so was frisst. Genau das
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