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Alle Familien sind verkorkst

Alle Familien sind verkorkst

Titel: Alle Familien sind verkorkst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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Gleiche: die Nahrungskette; auch da ist Gott nicht im Spiel. Aber dann, sagen wir, tötet derselbe Löwe eine Woche später einen Menschen und frisst ihn auf. Hoppla - plötzlich spielt Gott eine Rolle? - sind wir denn das einzige göttliche Glied in der Nahrungskette?«
    Janet begann sich aus diesem ziemlich theatralisch geführten Gespräch zurückzuziehen. Sarah konnte es schließlich mit jedem aufnehmen. Dann spürte sie einen sanften Klaps auf der Schulter. Sie schaute sich um und sah Nickie vor sich. Hä?
    »Janet, können wir uns kurz unterhalten?«
    »Unterhalten?«
    »Ja. Ich denke, es ist wichtig.«
    Janet horchte auf. »Ich glaube nicht, dass es irgendetwas gibt, worüber Sie und ich -«
    »Zwei Dinge sind passiert«, sagte Nickie. »Sie sollten darüber Bescheid wissen.«
    Janets Neugier gewann die Oberhand. »Ach, was soll's. Okay.«
    »Kommen Sie mit in die Lounge. Hier draußen ist mir zu viel los.«
    Janet war froh, dass sie nach drinnen gehen konnte. Die Hitze schlauchte sie, und das Peabody zu betreten war wie in einen frischen Herbsttag hineinzuspazieren. Die zwei Frauen gingen in eine kleine Lounge - ein geschmackvoller Traum in Rattan und Mintgrün wie aus einem gediegenen Gartenmöbelkatalog. Kaum, dass sie sich hingesetzt hatten, nahm der Kellner ihre Bestellung auf - zwei Club Soda.
    »Also - worum geht es?«, fragte Janet.
    »Ich habe ebenfalls AIDS.«
    Janet dachte einen Moment lang nach. »Okay, tut mir leid, dass auch Sie Mitglied im Club werden mussten, aber was soll ich dagegen tun?«
    Nickie wollte etwas sagen, überlegte es sich dann aber anders und schwieg.
    Janet fragte: »Von Wade?«
    Nickie nickte. »Ziemlich sicher.«
    »Weiß Ted davon?«
    »Nein. Ich weiß es selbst erst seit drei Tagen. Ich hab ihm gesagt, ich hätte ein Frauenleiden, das hat ihm ganz gut das Maul gestopft.«
    »Typisch Ted.«
    Ihre Sodas kamen. Janet erwog kurz einen Trinkspruch, doch dann fiel ihr ein, dass das wie ein geschmackloser Scherz aussehen würde, daher nippte sie schweigend an ihren Drink. »Sie haben gesagt, es ginge um zwei Dinge. Was ist das andere?«
    »Es geht um Helena.«
    »Helena?« Janet setzte das Glas ab. Helena war ihre älteste Freundin, mit der sie sich furchtbar verkracht hatte. »Was ist mit Helena?«
    Nickie sagte: »Ich weiß nicht genau, was zwischen Ihnen beiden vorgefallen ist, aber wie auch immer, kurz vor ihrem Ende sagte sie, alles, was sie Ihnen angetan hat, täte ihr Leid. Sie sagte, ihre Geisteskrankheit sei schuld daran gewesen und nicht sie selbst. Sie sagte, eine andere Person hätte ihren Körper in ihrer Gewalt gehabt, und ihre Explosion Ihnen gegenüber - so hat sie es genannt: Explosion - sei das Einzige, was sie in ihrem Leben bereut hat.«
    Janet saß regungslos da. »Woher wissen Sie denn das bloß alles?«
    »Helenas Schwester ist die zweite Frau meines Vaters. Sie hat mich mit in die Irrenanstalt genommen oder wie auch immer man das heutzutage nennt. Wir bekamen sie an dem Tag zu Gesicht, als sie gerade ein neues Medikament an ihr ausprobierten. Es verlieh ihr diesen kurzen Moment der Klarheit, in dem sie all diese Dinge sagte. Und dann wirkte das Medikament nicht mehr, und einen Tag später brachte sie sich um. Ich schätze, man hat ihr das Falsche verabreicht. Es tut mir Leid. Aber sie hat sich entschuldigt. Sie hat Sie wirklich vermisst. Ihr hat viel an Ihnen gelegen.«
    Helena ...
    »Janet?«
    Am anderen Ende der Lobby wurden schwer kranke, an Geräte und Schläuche angeschlossene Kinder hinaus ins Sonnenlicht gerollt.

6
    In Janets Erinnerungen an Helena gab es eine, die alle anderen überstrahlte. Es war im September 1956 - Janet und Helena, die damals noch zur Schule gingen, spazierten auf dem Weg zu Eaton's, wo sie mit Janets Vater Mittag essen wollten, durch die Innenstadt von Toronto. Der Zucker vergilbenden Laubs lag in der Luft, und die Sonne stand merklich tiefer am Horizont. Helena zog Janet wegen ihrer knospenden Romanze mit Ted auf: »Es sind diese großen amerikanischen Zähne, nicht wahr? Die gefallen dir. Diese großen amerikanischen Zähne und das, was er mit seinen Augen macht.« »Was macht er denn?«
    »Jetzt tu aber nicht so. Du weißt genau, was ich meine.«
    »Na und? Er hat eben schöne Augen.« Pflichtschuldigst fischte Janet in ihrem Hirn nach etwas Negativem, um das Positive wieder wettzumachen: »Aber seine alte Schrottkiste furzt blauen Qualm wie besengt.«
    »Du bist so verklemmt, Janet Truro. Und Ted ist ein typischer

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