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Alle Familien sind verkorkst

Alle Familien sind verkorkst

Titel: Alle Familien sind verkorkst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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letztes Wort so klingen, als habe ein Menschenfresser es hervorgerülpst. Es lag eine Spannung in der Luft, die entschärft werden musste. »Helena, stell das Radio an«, meldete Janet sich zu Wort. »Ich würd jetzt gern Dean Martin hören.«
    William sagte: »Diesen italienischen Schmierlappen?«
    »Er ist kein Schmierlappen, Daddy.«
    Als die Ampel wieder auf Grün sprang, gab William Gas. Unsichtbare Hände zerrten Janet in die Schaumstoffpolster des Rücksitzes. Helena wollte zu Hause abgesetzt werden, an der Bloor Street, Ecke St. George, daher musste William einen Umweg fahren. Dort angekommen, zeigte Helena ihnen das Haus, in dem sie eines der oberen Stockwerke gemietet hatte, »'ne ziemliche Bruchbude, was, Mr. Troo?«
    »Du bist ein unkonventioneller Typ, Helena. Das Haus passt zu dir.«
    »Ciao, Leute«, und schon schlenderte sie davon. Ciao? Was zum Teufel heißt das? Janet fühlte sich wie der einzige Vogel, den der Schwarm beim Weiterziehen zurückgelassen hat. Dieses Gefühl wurde sie nicht mehr los, und als Ted ihr am folgenden Freitagabend in einem ungarischen Restaurant einen Antrag machte, nahm sie an. In den Monaten vor der Hochzeit verging kein Tag ohne Momente der Reue, als hätte sie all ihr mühsam gespartes Geld für ein Kleid ausgegeben, das sie nirgendwohin anziehen konnte. Ted ist doch so ein gut aussehender und geheimnisvoller Mann! Aber was habe ich getan? Ich kenne ihn doch kaum. Was, wenn er schnarcht? Was, wenn wir uns nicht verstehen? Was, wenn -...
    Das nächste Was-wenn war kaum denkbar, geschweige denn in Worte zu fassen, das Was-wenn des Fleisches. Unsere Körper - sein Körper - ich habe ihn noch nie ... ganz gesehen. Oje. O je. Was soll ich bloß tun?
    Über diesen Punkt verloren Zeitschriftenartikel, Doris-Day-Filme und ihre Mutter kein Wort. Irgendetwas stimmt hier nicht, aber was?
    Eine Hand schüttelte Janets Schulter. »Janet? Janet? Alles in Ordnung?« Es war Nickie, und Janet kehrte zurück ins Hotel Peabody.
    »Mir geht's gut. Alles okay.«
    »Sind Sie sicher?«
    Janet sah Nickie an. Jegliche Feindseligkeit, die sie gegenüber dieser Frau empfunden hatte, war verpufft. »Ja.«
    Dann hörten die beiden, wie sich ihnen Schritte näherten. Cowboy-Stiefel auf Marmor: Wade kam um die Ecke, direkt auf Janets und Nickies Tisch zu. Offenbar hatte er keine von beiden dort erwartet. »O - hi - ich ...«
    »Hallo, Wade.«
    »Nickie. Hey. Ich -«
    Janet sagte: »Entspann dich. Setz dich zu uns.«
    »Wieso? Was ist los?«
    »Setz dich einfach.«
    »Gibt es Neuigkeiten?«
    »Ja.«
    »Schlechte Neuigkeiten?«
    Nickie sagte: »Ja, Wade, es sind schlechte Neuigkeiten.« »Jetzt sag bloß nicht ...?« Nickie nickte. »Doch, genau das.«
    Wade plumpste auf einen Rattanstuhl. »Scheiße. Tut mir Leid. Was kann ich -« Plötzlich sah er seine Mutter an, aber jetzt mit einem anderen Ausdruck in den Augen.
    Irgendwas stimmt nicht.
    Wade langte mit einer Serviette zu ihr hinüber. »Mom -« »Was? Was?«
    »Deine Bluse sieht aus wie in einem Dracula-Film. Keine Panik. Das geht leicht wieder raus.«
    »Ich blute?« Janet griff nach einer weiteren Serviette und tupfte sich die Brust ab. Dabei zerrte sie an dem Stoff, der davon zeugte, dass eine beträchtliche Menge Blut aus ihrem Mund kam. »Au weia.«
    »Mom«, sagte Wade, »ich besorg dir jetzt hier im Hotel ein Zimmer, und dann hole ich deine Sachen aus deinem Motel, okay?«
    Janet war ganz verstört. »Ja, Schatz. Ja. Natürlich.«
    »Keine Sorge. Das wird schon wieder. Kannst du aufstehen? Komm. Steh auf. Ich bring dich -in mein Zimmer, da kannst du dich hinlegen. Das wird schon wieder. Wart's nur ab.«
    Sie gingen hinüber zu den Fahrstühlen. Nickie hatte noch ein paar Servietten mitgenommen, die sie Wade reichte. Janet und Wade stiegen ein, und Nickie sagte: »Ich ruf Sie nachher an, Janet.« Die Tür schloss sich.

7
    Wade sorgte dafür, dass Janet sich in seinem Zimmer aufs Bett legte, und schnappte sich dann die Schlüssel für den Wagen, den er mit Beths Kreditkarte gemietet hatte. Er ging nach unten und stellte dort fest, dass Sarah, die kranken Kinder und die Menschenmenge verschwunden waren. Die Medien-Lkws setzten sich gerade in Bewegung, alle Kabel bis zum Anschlag zurückgeschnappt wie in den verchromten Halter eines Maßbands. Ein paar Verwandte von ihm waren allerdings noch da - Bryan und Shw, die sich gerade heftig wegen einem Bund Autoschlüssel in den Haaren hatten, das Bryan offenbar nicht rausrücken wollte. Die anderen

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