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Alle Familien sind verkorkst

Alle Familien sind verkorkst

Titel: Alle Familien sind verkorkst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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Beth.«
    »Nein - ihr versteht nicht«, sagte Beth. »Diese Krankheit ist mein Leben. Mit ihrer Hilfe bin ich von den Drogen losgekommen. Ich habe aufgehört zu trinken. Durch sie habe ich Gott gefunden. Ihr habe ich es zu verdanken, dass ihr alle meine Freunde geworden seid - und jetzt ist sie weg. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Sie war mein ganzer Lebensinhalt. Nun bleibt mir nichts als mein Job als Croupier im Harrah's. Mein Leben ist plötzlich so mickrig geworden, und ich komme mir vor wie unsichtbar. Letzte Woche war ich eine überlebensgroße Überlebende und jetzt bin ich ... eine Mücke.«
    Debbie sagte: »Tja, wir werden dich kaum aus der Gruppe werfen, und ich kann mir niemanden vorstellen, der besser als du dazu geeignet ist, bei der AIDS-Hilfe zu arbeiten.« Die Gruppe gab Laute der Bestätigung von sich, Wade hingegen sah Beth, kaum dass sie in sein Leben getreten war, schon wieder daraus verschwinden. »Wie war's zum Beispiel«, fuhr Debbie fort, »wenn du dich mit Wade hier triffst und ihn damit vertraut machst, welche Hilfsangebote ihm hier in Clark County zur Verfügung stehen.«
    Pling! Kein Zweifel - Debbie war ein Engel. Hinterher scharten sich bei der Kaffeemaschine andere Gruppenmitglieder um Beth; Wade wartete. Als sie schließlich zu ihm herüberkam, sagte sie: »Lass uns zu einem Denny's fahren. Ich hab einen Mordshunger.«
    Im Restaurant versuchte Wade vergeblich, Smalltalk zu machen. Stattdessen fragte Beth ihn: »Was war bisher die schlimmste Phase deiner Krankheit?«
    »Wie meinst du das?«
    »Du weißt schon - PCP-Lungenentzündung? Virale Meningitis?«
    Wade konnte kaum glauben, welch unromantische Richtung das Essen nahm. »Bisher war der Verlauf eigentlich ziemlich asymptomatisch.« Er war froh, einen medizinischen Fachausdruck parat zu haben.
    »Tut mir Leid, dass ich dir gleich solche Symptome an den Kopf werfe. Es ist unhöflich, aber es ist irgendwie zu einer Angewohnheit geworden. Ich könnte ebenso gut nach deiner T-Zellen-Zahl fragen.« Sie warf einen Blick auf die Speisekarte. »Die Hühnchen-Nuggets hier sind gut.«
    Sie bestellten, und die Kellnerin servierte ihre Hühnchen-Nuggets. Als Wade sich eins nehmen wollte, fuhr Beth ihn an: »Erst beten.«
    Sie nahm seine Hand. Wade konnte die Knochen in ihrem Fleisch spüren, es fühlte sich an, als hielte er Händchen mit Casper, dem freundlichen Geist, weich und trocken und irgendwie gar nicht richtig da.
    Sie sagte: »Lieber Gott, der Du uns diesen Tag geschenkt hast und uns unser Morgen und danach die Ewigkeit schenken wirst, wir danken Dir dafür, dass Du uns Prüfungen auferlegst, um unsere Willenskraft auf die Probe zu stellen, und wir danken Dir für die Tage, an denen wir diese Willenskraft offenbaren können. Diese Mahlzeit ist deine Gabe. Wir sind Deine Diener für alle Zeiten. Amen.«
    Wade war ganz fromm zumute. Er fühlte sich wohl mit diesem Menschen, den er zu seiner Familie machen würde. Er biss ein Stückchen von einem Hähnchen-Nugget ab und verbrannte sich die Zunge.
    Drei Wochen nach dem Abendessen bei Denny's zog Wade zu Beth, deren Religiosität in Sachen wilde Ehe einen blinden Fleck aufwies. Nach dem Einzug schämte sich Wade, wie wenig er besaß und wie schäbig die meisten seiner Sachen aussahen. Als sein Hab und Gut mit Beths verschmolz, blieb kaum noch etwas davon übrig, doch das war ihm ganz recht so. Beths Geschmack hatte etwas Mädchenhaftes, etwas Verspieltes: rosa Sonnenblumen und ein kuhförmiger Fußschemel - es war eine Wohltat, von einer freundlicheren, weniger trostlosen Welt aufgesogen zu werden.
    Der Gebäudekomplex, in dem Beth wohnte, war ein heruntergekommener architektonischer Schnellschuss der 60er Jahre, der Hausmeister ein unzuverlässiger Keno-Spielsüchtiger. Folglich wurde Wade ziemlich häufig von Beth gebeten, irgendwelche Reparaturen im Haushalt zu erledigen. In all seinen Jahren des Schmuggelns und der Gaunereien waren ihm so trostlose Aufgaben wie das Anschließen einer Lampe erspart geblieben.
    »Die Lampe anschließen?«
    »Die Lampe anschließen.«
    Langsam wurde Wade bewusst, dass er, wann immer er einen Schraubenzieher oder einen Spachtel anfasste, automatisch die Schultern verkrampfte und darauf wartete, dass die Stimme seines Vaters ihn einen Nichtsnutz oder einen hoffnungslosen Versager nannte. Sobald ihm klar geworden war, dass diese Stimme nicht ertönen würde, überraschte ihn seine eigene Geschicklichkeit. Bei Beth gab es eine Menge zu reparieren, was ihm

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