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Alle Familien sind verkorkst

Alle Familien sind verkorkst

Titel: Alle Familien sind verkorkst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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»Wohin?«
    »Lange Geschichte.« Wade war bereits auf halbem Weg zur Automatiktür, als Ted Bryan von der Trage zerrte. »Ted ...«, rief Nickie.
    »Kann jetzt nicht reden, Nix - wir müssen los.« Und schon waren sie fort.

17
    Als Janet und Nickie durch die Tür der Notaufnahme traten, schlug ihnen ein Schwall heißer Nachtluft ins Gesicht. Am anderen Ende des Geländes rasten die drei Männer in Howies orangefarbenem Transporter davon - kein Howie an Bord. Die Reifen quietschten, als Wade den Wagen auf die Straße lenkte, woraufhin Janet sich zu Nickie umdrehte: »Wie machen Männer das bloß? Ich fahre seit vierzig Jahren Auto, und bei mir haben die Reifen noch kein einziges Mal gequietscht.«
    Wieder im Krankenhaus erfuhren sie, dass Kevins Zustand stabil war und dass er schlief. Die beiden Frauen kauften ein Bündel silberfarbener, rosa überhauchter Mylar-Ballons und eine Gute-Besserung-Karte und legten beides neben sein Bett. Eine Schwester fragte, ob Janet und Nickie Verwandte von ihm seien. Janet sagte: »Nein, aber -«
    Die Schwester legte rasch den Finger auf ihre Lippen: »Psssssst! Kein Wort mehr. Ich habe keine Ahnung, welche Rolle Sie im Leben dieses Mannes spielen, aber er braucht ein paar lebenswichtige Medikamente. Wir wissen nicht, wen wir kontaktieren sollen, und irgendjemand muss in seine Wohnung fahren und seine Sachen holen. Könnten Sie das tun?«
    »Klar.«
    Die Schwester reichte Janet einen Post-It-Zettel mit einer Adresse auf der Rückseite, die von einem Führerschein abgeschrieben war. »Und hier sind die Schlüssel, die er in der Tasche hatte. Einer davon müsste passen.«
    Die beiden Frauen fuhren mit dem Lift nach unten. Janet sagte: »Weißt du, das hier war eigentlich als Familienwoche gedacht, bei der wir uns alle näher kennen lernen sollten - dieser ganze NASA-Klimbim: Frühstück mit Morgenandacht, Schlauchbootfahrten durch die Sümpfe, eine zufällige Begegnung mit einem Mitglied der Kennedys ... Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie die anderen Astronautenfamilien drauf sind. Die sind praktisch selber Astronauten - spiegelblank polierte Schuhe, zu viele Zähne, die Hälfte von ihnen ist beim Militär und hat so einen bellenden Kommandoton am Leib. Ich krieg echt zu viel, wenn ich sehe, wie begeistert die bei der Sache sind. Unsere eigene Familie ist eine Katastrophe.«
    Nickie sagte: »Das bezweifle ich. Die Menschen sind ziemlich nachsichtig, wenn es um die Familien anderer Leute geht. Die einzige Familie, die man wirklich entsetzlich findet, ist die eigene. Hey - verstehst du dich gut mit Sarah?«
    »Mit Sarah? Ich glaub schon. Ja.«
    »Was soll das heißen, du ›glaubst schon ‹ ?«
    »Wir zwei haben uns eigentlich nie wirklich gestritten.«
    »Das glaube ich dir nicht.«
    »Dann eben nicht. Aber es ist mein voller Ernst. Nicht einmal in fast vierzig Jahren.«
    »Wieso sagst dann, du glaubst, dass ihr euch versteht?«
    »Sarah war immer Teds Baby. Ich war so geschockt und verunsichert, als sie geboren wurde. Ted nicht. Er sprang einfach ins kalte Wasser. Er ist in mancher Hinsicht stärker als ich. Er erkannte in Sarah ein Potenzial, das ich nicht sah. Dafür schäme ich mich.« Janet senkte den Blick in ihren Schoß und sagte: »Sarah liest mir irgendwas von den Augen ab; ich weiß nicht, was es ist - aber sie ist mir gegenüber immer sehr reserviert gewesen. Nett zwar, aber sie hat sich mir nie richtig geöffnet. Nie.«
    Nickie schwieg.
    Nachdem sie über einem Stadtplan beratschlagt hatten, fuhren die beiden Frauen in das Viertel, in dem Kevin wohnte. Die Nachtluft war dunkel und blumig, ölig und verseucht. Janet sah zur Rechten einen Schwarm Vögel, und ihr wurde bewusst, wie selten nach Sonnenuntergang noch Vögel zu sehen sind. Sie fuhren an einem schwarzen Mercedes mit Motorbrand und einem Haufen Zitronen vorbei, der ohne ersichtlichen Grund am Straßenrand lag. Florida.
    Minuten später befanden sich die Frauen auf einem Trailerpark im nordwestlichen Teil von Orlando. »Willkommen bei Kevin«, sagte Nickie, als sie die Tür zu dem Wohnwagen öffneten, der ein wenig Schlagseite hatte. Janet setzte sich an den Küchentisch. Eines seiner Beine wurde von einem Stapel ungeöffneter Rechnungen voller Kaffeeflecken und Zigarettenlöcher gestützt. Sie betrachtete Fotos in 5 -Dollar -95 -Rahmen von WalMart. Auf den meisten alberte Kevin zwischen lauter Fragmenten von Disney-Figuren mit seinen Freunden herum. Offenbar simulierten sie einen Geschlechtsakt - ein

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