Alle Familien sind verkorkst
telefoniert habe. Da lag irgendetwas Unausgesprochenes in der Luft.«
»Bei Wade wäre alles möglich. Sarah.«
»Ich glaube, Howie und Alanna haben eine Affäre.«
»Was?«
»Ja.«
»Wie kannst du so was sagen?« »Aber es stimmt.« »Du hast keine Beweise.« »Hör auf, ihn zu verteidigen!«
Janet hatte das Gefühl, langsam den Verstand zu verlieren. So hatte Sarah noch nie mit ihr geredet. O je, das gottverdammte Contergan hat den Damm gebrochen. »Du redest dir was ein, Sarah.«
»Tu ich nicht, und sag du mir nicht, was ich fühlen oder denken soll.«
»Aber das tu ich doch gar nicht -« Plötzlich, mit neununddreißig Jahren, benimmt Sarah sich wie ein Teenager.
»Ich habe Howie nur geheiratet, weil er smart und gut aussehend war.«
»Ja und?« Was um alles in der Welt geht hier vor? »Warum erzählst du mir das?«
»Glaubst du, ich weiß nicht, was für ein Langweiler er ist? Und was für ein Wichtigtuer? Die meiste Zeit benimmt er sich wie ein King-Charles-Spaniel, der gerade vom Hundefrisör zurück ist. Aber ich dachte, er hätte gutes Erbmaterial, und er glaubte wohl, er hätte durch eine Heirat mit mir bessere Aufstiegschancen - was sich als richtig erwiesen hat. Ich schätze, wir haben beide bekommen, was wir wollten.«
»Du hast Erbmaterial gesagt. Bist du schwanger?« Janet fragte sich, ob ihr Bedauern darüber, dass sie keine Enkelkinder hatte, in ihre Stimme gesickert war und ihr womöglich einen spöttischen Klang verlieh.
Sarah erwiderte rasch: »Nein.« Nach eine Pause fügte sie hinzu: »Weißt du, ich muss mit ihm leben. Stell dir das mal vor - das ist vielleicht ein Spaß! Sarah, wusstest du, dass dein Toyota zu wenig Reifendruck hat? Sarah, ich glaube, das Journal wird jetzt auf anderem Papier gedruckt - ich werde sofort eine Beschwerde schreiben - So geht das die ganze Zeit.«
»Keine Ehe ist vollkommen, Sarah.«
»Tja, unsere hat - ich weiß nicht - Gefrierbrand.«
»Ich dachte, du -«
»Falsch gedacht.«
Janet versuchte ihre Gefühle neu zu ordnen. Bleib ruhig. »Das kommt nur, weil ich dir von dem Contergan erzählt habe. Sonst hättest du nie so mit mir geredet.«
»Und wenn schon? Nicht zu fassen, dass du tatsächlich alles daran gesetzt hast, das Zeug aufzutreiben - das schlimmste Molekül des Universums. Wenn -«
»Sarah, hör auf - hör sofort auf.«
Sarahs Stimme wurde ruhig. »Mom, wenn du es von vornherein gewusst hättest - hättest du mich dann bekommen?« »Sarah, wie kannst du -« »Na?«
»Es war eine andere Zeit. Wir -«
»Kein Wort mehr, Mom. Ein einfaches ›Nein ‹ hätte genügt.«
»Sarah, tu mir das nicht an.«
»Meine Kaffeepause ist vorbei. Ich muss wieder in meinen Anzug steigen. Bis dann.« »Sarah?«
Janet presste das leere Telefon an ihr Ohr, das brannte, als hätte sie eine Backpfeife erhalten; ihr Kopf fühlte sich an wie ein Heliumballon, und sie konnte nicht mal ihre eigenen Gedanken hören. Sie hatte keinen Schaden anrichten wollen, und doch hatte sie jemandem wehgetan. Dieses Gespräch hatte ihr seit Jahrzehnten auf der Seele gebrannt, und es war furchtbar in die Hose gegangen.
Plötzlich - o Gott - meine Familie. Ich muss zu meiner Familie. Das Bedürfnis, bei ihren beiden Söhnen zu sein, überkam sie so heftig wie die chemische Reaktion auf eine schnell wirkende Pille.
Im Hotelzimmer schnarchte Beth vor sich hin. Janet packte schweigend ihre Medikamente und ihre Kosmetiktasche, raffte ihre paar Kleidungsstücke zusammen, warf sie in ihren Koffer und ging hinunter zum Parkplatz. Zur NASA kann ich nicht, aber ich kann nach - Daytona Beach. Meine Jungs! Meine Kinder! Ich bin allein - das ertrag ich nicht. Hebt mich hoch. Haltet mich. Lasst mich mit diesem Gefühl nicht allein.
Janet brach in Richtung Osten auf, verwechselte jedoch die Autobahnen und verfuhr sich. Um fünf Uhr morgens fand sie sich auf dem Parkplatz einer hübschen kleinen Einkaufs-Plaza wieder, die niemandem Böses wollte. Sie lag ein paar Meilen südlich von Cape Canaveral, in Cocoa Beach, dem Schlafzimmer der NASA; dort musste sie Halt machen, als ihre Schlaflosigkeit ihren Tribut forderte, und sie legte sich auf den Rücksitz. Ihr hastig gepackter Koffer diente ihr als Kopfkissen; eine Karte der Counties Flagler, Orange und Volusia schirmte ihre Augen gegen das frühmorgendlichen Sonnenlicht ab. Sie wurde von einem piepsenden Lieferwagen geweckt, der rückwärts in die Einfahrt eines Blumenladens setzte.
Wo sind meine Kinder?
Wade und Bryan waren vermutlich
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