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Alle Familien sind verkorkst

Alle Familien sind verkorkst

Titel: Alle Familien sind verkorkst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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kaufen.
    »Mom, war Dad schon immer so ein Wichser?«
    »Wade!«
    »Und, war er?«
    »Sieh zu, dass du ein paar gute Mäuse findest, Wade.« Sarah sollte am Abend von einem Schulausflug zu einer Physik-Olympiade in Portland zurückkommen, die Mäuse waren eine Überraschung.
    »Die da«, sagte Janet, »die sehen ...«
    »Saftiger aus?«
    »Ich schätze schon.«
    »Mom, ich glaube, Schlangen haben's lieber ›knackig‹ als ›saftig‹.«
    »Tun sie nicht.«
    Wade sah seiner Mutter beim Lächeln zu. Er sagte: »Saftige Mäuse brauchen zu lange, bis sie eine Schlange in voller Länge durchwandert haben. Davon kriegt sie Verstopfung.«
    »Wade!«
    »Du hast meine Frage nicht beantwortet. Seit wann ist Dad so ein Arschloch?«
    »Früher war er nett, weißt du. Lustig. Er war lustig.« »Ha-ha-ha.«
    Ein Verkäufer kam rüber. »Suchen Sie Futtermäuse?« »Ja«, sagte Wade. »Ein Dutzend.«
    »Diese hier«, sagte Janet und zeigte auf die fetten. »Sind die teurer als die normalen?«
    »Ja. Sie sind trächtig, daher kosten sie einen Dollar mehr.«
    Wie aus einem Munde machten Wade und Janet »Igitt«. Der Verkäufer sagte, er könne ihnen nicht trächtige Hamster für nur $ 1,25 empfehlen.
    »Nur Mäuse«, sagte Wade. »Nicht trächtig. Ein Dutzend.«
    »Wie kann man bloß trächtige Mäuse an eine Schlange verfüttern?«, fragte Janet mehr sich selbst als in Erwartung einer Antwort.
    »Was ich nicht begreife, ist, wieso sie nicht einfach Hackfleisch fressen?«
    Der Verkäufer schaltete sich ein: »Es bringt ihnen nichts, wenn sie ihre Beute nicht töten. Das Töten setzt Enzyme frei, die die Verdauung fördern. Hackfleisch kann man nicht umbringen.«
    »O je«, sagte Janet. »Ich hätte nie geglaubt, dass es so schwer ist, Mäuse zu kaufen.«
    Während der Verkäufer die Tiere einsammelte, gingen Mutter und Sohn in die Vogelabteilung hinüber, in der es schrill und heiß war, die Luft geschwängert von dem scharfen Phosphat-Geruch von Guano. Wade betrachtete die Wellensittiche und fragte sich, wie ein derart spielzeughaftes Lebewesen je in der Wildnis existiert haben konnte. Sie sind die Pudel der Vogelwelt. Wade versuchte sich kleine weiße Pudel vorzustellen, die mit Höhlenmenschen auf die Jagd gingen. Er sagte: »Du hast gesagt, Dad war früher mal lustig. Wann? Ich will Beweise.«
    »Als er jünger war. Als ich ihn an der Uni kennen gelernt habe. Er war so unspießig. Er nahm nie ein Blatt vor den Mund, und das hat mir an Menschen immer gefallen, vielleicht weil ich selbst so ein Mauerblümchen bin.«
    »Was ist ein Mauerblümchen?«
    »Du weißt schon. Diese Mädchen, die bei Schulfesten an der Wand stehen und nie zum Tanzen aufgefordert werden.«
    »Du?«
    »Niemand hat mir je gesagt, wie ich mir die Augenbrauen zupfen muss. Bis ich zur Uni kam, sah ich aus wie eine ostdeutsche Gewichtheberin der 60er Jahre.«
    »Gar nicht wahr. Ich hab Fotos gesehen.«
    »Ich war so passiv. Es wäre mir nie eingefallen, einen Mann zum Tanzen aufzufordern.«
    In einem Wellensittichkäfig brach ein Streit aus, offenbar um die Revierrechte auf die Sitzstange neben dem winzigen Spiegel. Janet sagte: »Dein Vater war ein bisschen wie Helena. Sie kann so unverschämt sein. Helena hat meinen Eltern den letzten Nerv geraubt. Ted zwar auch, aber nicht so wie Helena.«
    »Hmmm.« Ihm war Helena irgendwie unheimlich; er hatte sie ein paar Wochen zuvor in der Küche dabei ertappt, wie sie ihn von oben bis unten gemustert hatte. Sie war, sogar aus seiner damals noch präsexuellen Sicht, gefährlich. Sie hatte Wade angesehen, die Augen zusammengekniffen und gesagt: »Du bist genau wie dein Vater. Du versuchst es zu verbergen, aber das gelingt dir nicht. Du kleiner Schwindler.«
    Er kehrte wieder in die Gegenwart zurück. »Aber eigentlich haben wir über Dad geredet - hast du denn irgendeinen Beweis, dass er kein Arschloch ist?«
    »Ich verstehe einfach nicht, wieso ihr beiden nicht miteinander auskommt. Ihr seid euch so ähnlich, weißt du.«
    Wade erstarrte. »Nein. Wir sind uns keineswegs ähnlich.« Oh-oh.
    »Da hab ich wohl einen wunden Punkt getroffen, was?« Hatte sie das? »Er trinkt zu viel.«
    »Trinkt zu viel?« Janet machte ein verdutztes Gesicht. »Er trinkt so viel wie jeder andere Mann in seinem Alter.« »Was beweist das?«
    »Ich weiß nicht, worauf du hinauswillst, Wade. Jeder trinkt.«
    Die Mäuse standen fertig auf dem Tresen. Janet bezahlte. Auf der Heimfahrt warf Wade einen Blick zu den Tieren hinein, die auf dem Boden

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