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Alle jagen John Mulligan

Alle jagen John Mulligan

Titel: Alle jagen John Mulligan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Gerstäcker
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haben, und leise wieder zurücktretend, daß die junge Frau nichts bemerkte, machte er draußen lautes Geräusch an der Haustür, trat dann fest auf, ging den Vorraum entlang und klopfte endlich an die Kammertür.
    »Wer ist da?« rief in demselben Augenblick eine ängstlich erschrockene Stimme, und zugleich öffnete sich die Tür, aus der dem Polizeimann das reizendste Wesen entgegentrat, das er je gesehen zu haben glaubte. Er brachte auch im Anfang wirklich nicht ein Wort über die Lippen und fing schon an, sich über sich selbst zu ärgern, als die junge Frau, die sich zuerst gesammelt hatte, ruhig fragte:
    »Was steht zu Euren Diensten und wen sucht Ihr?«
    »Mr. Rodwell«, erwiderte da Tolmer, rasch gefaßt. »Hab ich vielleicht das Vergnügen, Mrs. Rodwell vor mir zu sehen?«
    Die Frau neigte leise ihr Haupt, ohne ein Wort weiter zu erwidern, aber ihr Blick flog indessen forschend über des Fremden Züge. Wer war er, und wo kam er so plötzlich her?
    »Und könnt Ihr mir sagen, wo und wann ich vielleicht Mr. Rodwell treffen möchte?«
    »Ich weiß es nicht«, erwiderte die Frau, und Tolmer kam es vor, als ob sich die bleichen Wangen etwas röteten, »er ist nach Adelaide gefahren, und ich erwarte ihn erst morgen oder übermorgen wieder zurück.«
    »So?« sagte Tolmer, indem er fest dem auf ihm haftenden Blick begegnete, bis die Frau den ihren zu Boden senkte.
    »Habt Ihr Geschäfte mit ihm?« fragte diese endlich, die sich gewaltsam zu sammeln schien.
    »Ja und nein«, erwiderte der Polizeimann ruhig. »Ich suche eigentlich nur ein paar Stiere, die mir vom Südufer der Insel fortgelaufen und in den Busch geraten sind, und wollte ihn fragen, ob er nichts von ihnen hier gesehen hat. Doch die Frage kann mir jeder andere wohl ebenfalls beantworten, und irgendeiner Eurer Leute oder Nachbarn wird mir gewiß darüber Auskunft geben.«
    »Unsere beiden Arbeiter sind im Feld«, erwiderte Mrs. Rodwell, »wenn Ihr Euch vielleicht dorthin bemühen wolltet.«
    »Euer nächster Nachbar wohnt wohl nach Westen zu?« fragte Tolmer.
    »Nach Westen zu - wieso?«
    »Ach, ich meine nur - ich sah die frischen Spuren eines europäischen Stiefels dort im Pfad. Wie weit ist es in der Richtung bis zum nächsten Haus?«
    »Eine nicht unbedeutende Strecke«, erwiderte Mrs. Rodwell, und wieder entging es dem scharfen Blick des Polizeibeamten nicht, daß eine leichte Röte ihr Antlitz, wenn auch nur einen Augenblick lang, überflog. »Aber selbst von dorther kommen sie manchmal, verlorengegangenes Vieh zu suchen.«
    »Ja - das glaube ich gern«, sagte Tolmer nachdenkend, »hm, da war der, von dem ich die Spuren gesehen habe, wohl gar am Ende auch in solchen Geschäften aus und könnte mir die beste Kunde geben. Kennt Ihr ihn, Madame, und habt Ihr gesehen, wer es war?«
    »Ich? - Nein«, sagte die Frau ruhig. »Er war nicht hier im Haus.«
    »Dann bitte, entschuldigt, daß ich hier so ohne weiteres eingebrochen bin«, sagte Tolmer, sich leicht verbeugend. Er wußte jetzt genug und war überzeugt, daß die Frau, die sogar ableugnete, den Fremden auch nur gesehen zu haben, ihm nie einen weiteren Aufschluß über jenen geben würde. Wenige Minuten später schritt er langsam durch den kleinen Garten zu einem anderen zu dem Haus gehörenden Gebäude, in dem die Ställe und Vorratskammern untergebracht zu sein schienen und wo er einen Arbeiter beschäftigt sah, einen kleinen Wagen auszubessern.
    Der Polizeimann hatte von diesem weitere Erkundigungen einziehen wollen, aber das Gesicht des Mannes gefiel ihm nicht. Der Bursche gehörte offensichtlich zu dem Teil der Bevölkerung Australiens, der sich aus entlassenen oder beurlaubten Sträflingen zusammensetzte, und einen solchen durfte er nicht ahnen lassen, was er hier suche. Deshalb seinen Vorwand beibehaltend, sich nach entlaufenem Vieh zu erkundigen, fragte er nur oberflächlich nach der dortigen Nachbarschaft und denen, die den Platz zuzeiten besuchten. Er bekam aber auch hier nur ausweichende Antworten, denn Bradley, so hieß der Bursche, war in der Tat einer der wenigen mit Gentleman John entkommenen Verbrecher, der sich hier als Pferdeknecht verdungen hatte, seine Zeit abzuwarten. Tolmer schöpfte aber erst dann Verdacht gegen ihn, als er die angeblich gesuchten, in Wirklichkeit gar nicht existierenden Zugtiere genauso, wie er sie auf gut Glück beschrieb, vor einigen Tagen an der Ostspitze der Insel gesehen haben wollte. Gentleman John war in westlicher Richtung fortgegangen.
    Der schlaue

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