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Alle jagen John Mulligan

Alle jagen John Mulligan

Titel: Alle jagen John Mulligan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Gerstäcker
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zwingt mich, den Frieden Deiner Schwelle, deren Segen ich nicht mehr verdiene, zu meiden. Ich bin namenlos unglücklich und doch nicht imstande, von dem Mann zu lassen, der meine Seele mit magischer Gewalt umstrickt hat. Du siehst mich nie wieder. Versuch nicht, uns zu folgen. Vom Festland aus schiffen wir uns nach Europa ein. Versage Deinem unglücklichen Kinde den väterlichen Segen nicht, und möge die Zeit einst kommen, wo Du nicht mehr mit Haß und Bitterkeit derer gedenkst, die sich einst so glücklich an Deiner Seite fühlte -
    Deiner unglücklichen Jenny.«
    Tolmer reichte den Brief schweigend zurück, den Rodwell fast bewußtlos nahm und in seiner Hand zusammendrückte.
    »Sie sind nach Adelaide hinüber«, sagte er mit so leiser Stimme, als ob er sich vor den eigenen Lauten fürchtete.
    Tolmer schüttelte den Kopf und meinte ruhig:
    »Sie sind noch auf der Insel, so gut wie wir.«
    »Ihr glaubt?« fuhr Rodwell rasch empor.
    »Ich weiß es gewiß.«
    »Ihr? - und woher?«
    »Weil dieser Bursche - Howitt oder wie er sonst heißt - bei Nacht und Nebel, mit einer Flasche Milch statt Proviant und einer Frau mit ihrem Kind nie im Leben die Backstairs Passage passiert hätte. Er sowenig wie der Bursche, der mit ihm fort ist, sind Seeleute.«
    »Ihr kennt ihn?«
    »Ich denke ja, aber mehr noch als das, ich hoffe, seine Bekanntschaft in den nächsten Tagen zu erneuern.«
    »Ich begreife Euch nicht.«
    »Und doch ist alles mit wenigen Worten erklärt«, sagte der Polizeibeamte lächelnd. »Mein Name ist nicht Barner, sondern Tolmer.«
    »Der Chef der südaustralischen Polizei?« rief Rodwell rasch und erstaunt.
    »Derselbe, und dieser Kapitän Howitt, wie er sich hier genannt hat, ist der gefährlichste Buschranger, der unsere Wälder unsicher gemacht, das Leben und Eigentum unserer Bürger gefährdet hat. - Es ist der berüchtigte Gentleman John.«
    Rodwell sah dem Sprechenden starr und entsetzt ins Auge, dann aber, als jener schwieg, barg er das Antlitz in den Händen und stöhnte:
    »Mein armes, armes Weib - mein armes Kind.«
    Tolmer übrigens, so leid ihm der Schmerz des Unglücklichen tat, kannte zu gut den Wert seiner Zeit, als daß er diese mit leeren Klagen vergeudet hätte.
    Mit kurzen, aber klaren Worten schilderte er deshalb dem ihm mit steigender Aufmerksamkeit Zuhörenden die Begebnisse der letzten Zeit, die Flucht des Buschrangers und seine Verfolgung, bis er hier auf der Insel endlich seine Spur gefunden und den flüchtigen Sträfling selbst gesehen habe. Ebenso unbeschönigt erzählte er auch die von ihm belauschte Szene zwischen dem Verbrecher und der jungen Frau. Warum er diese damals nicht gewarnt? - Ihm lag alles daran, den Entflohenen einzufangen, und wie die beiden Leute zueinander standen, war es mehr als wahrscheinlich, daß sie Gentleman John die Gefahr verraten haben würde, in der er, einmal entdeckt, schwebte. Zugleich gestand Tolmer dem jungen Mann, daß er seine Bekanntschaft nicht zufällig gefunden, sondern diese, als er einmal seinen Namen gehört hatte, gesucht habe und daß seine beiden von Bewaffneten besetzten Boote noch in dieser Nacht an der Westküste der Insel landeten, dem Räuber die Flucht auf dem Schoner abzuschneiden.
    Rodwell wollte freilich noch immer nicht glauben, daß die Flüchtigen auf der Insel geblieben wären; noch dazu, da das Mädchen gesehen haben wollte, wie sie bis tief in die Nacht vom Lande weggefahren wären. Tolmer jedoch, seit Jahren daran gewöhnt, nicht jeder Aussage Glauben beizumessen, schüttelte mit dem Kopf. Wer wußte denn, ob Betsey nicht mit im Geheimnis steckte? Und wenn nicht, hatte ihre Aussage doch, soweit sie die wirkliche Richtung eines Fahrzeuges betraf, nur wenig Wert. Gestern abend hatte außerdem Nordost bis Nordnordostwind vorgeherrscht, mit dem ein kleines Boot, das nicht recht gut am Wind lag, Kap Spencer nicht einmal erreichen konnte, während es, selbst ein Stück draußen in der See, mit Leichtigkeit abfallen und vor dem Wind irgendeinen Teil der Nordküste der Känguruh-Insel erreichen konnte. Außerdem lag flüchtigen Personen gewöhnlich daran, mögliche Verfolger auf eine falsche Spur zu bringen, nicht ihnen die wirklich genommene Richtung anzugeben, und demnach sprach denn alles nur dafür, daß Gentleman John, überdies des neugekauften Schoners ziemlich sicher, mit seiner schönen Beute noch auf der Insel weilte.
    Für diese Nacht war freilich nichts mehr zu unternehmen, auch war Rodwell so erschöpft und

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