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Alle jagen John Mulligan

Alle jagen John Mulligan

Titel: Alle jagen John Mulligan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Gerstäcker
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anstatt die Station zu erreichen, gar einem Trupp von Buschrangern in die Hände fielen. Kap Borda war von hier gar nicht mehr so weit entfernt, und Gentleman John war viel zu umsichtig, seine Leute nicht gerade dort, sondern weit eher in der Nähe versteckt zu halten. Das Geläut lagernder Herden aber in der Nähe und das Gebell von Hunden verriet doch auch wieder einen von weißen Ansiedlern bewohnten Platz, und deutlich konnten sie jetzt zwischen den um die Fackel versammelten Männern auch einen etwa zwölfjährigen Knaben erkennen. Das waren keine Buschranger.
    Nach ein paar flüchtig miteinander gewechselten Worten sprengten sie weiter, nachdem auch einige Opossums suchende Hunde Wind von ihnen bekommen hatten und laut bellend gegen sie ansprangen. Wenige Minuten später hielten sie neben der kleinen, von dem flackernden Lichte der Fackel grell beleuchteten Gruppe, die neugierig zu dem späten Besuch aufschauten.
    »Guten Abend, ihr Herren«, sagte da Tolmer, sich an den ältesten der Leute wendend, »könnt ihr uns Nachtquartier für heute und vielleicht einen Hut voll Hafer für unsere Pferde geben? Sie haben einen langen Tagesmarsch gemacht und bedürfen der Stärkung.«
    »Jawohl, Fremder - gern«, lautete die gastliche Antwort. »Steigt nur ab und nehmt eure Pferde am Zügel, denn von hier bis zum Haus stehen eine Menge kurz abgehauener Baumstümpfe.«
    »Was habt Ihr da gemacht?« fragte Rodwell, der kein Auge von der Gruppe gewandt hatte, mit heiserer, angstbeklommener Stimme. - »Ihr habt -«
    »Ein Grab gegraben für ein armes Kind!« sagte der alte Mann mit ernstem, wehmütigem Ton.
    »Euer Kind?« fragte Rodwell, und das Licht der Fackel begann vor seinen Augen zu tanzen und wilde, wirre Kreise zu ziehen.
    »Meines? - Nein, Gott sei gedankt, daß er mir bis jetzt solchen Schmerz erspart hat. - Es war das Kind einer armen Frau, die es tot auf ihrem Arm zu unserem Haus trug, es wenigstens in der Nähe von Christen begraben zu lassen.«
    Rodwell glitt aus seinem Sattel, ließ den Zügel seines Pferdes frei und taumelte mehr als er ging dem frischen, kleinen Grabe zu, über das die freundliche Hand der Fremden eben erst den niederen Hügel gewölbt.
    »Eine fremde Frau?« rief Tolmer rasch und erschrocken, während sein mitleidiger Blick den armen Vater streifte.
    »Sie kam mit ihrem Mann und einem Träger von Osten her«, erwiderte der alte Mann. »Ihre Pferde waren ihnen im Busch abhanden gekommen, wie sie sagten, und der Mann wollte die Frau nur nach Kap Borda bringen und dann zurückkehren, sie zu suchen.«
    »Sein Name war -?«
    »Lieber Gott, wir fragen die Leute, die zu uns kommen, nicht nach ihrem Namen: Aber ich dächte, ich hätte den Mann schon vor einigen Wochen einmal am Kap Borda gesehen. Ich glaube, sie nannten ihn dort Howitt!«
    Rodwell hörte nichts mehr - vor den Augen flimmerte es ihm, seine Knie zitterten, und er brach zusammen, und mit dem Schmerzensschrei: »Mein Kind - mein armes, armes Kind!« sank er schluchzend am Grabe nieder. - Die Männer waren erstaunte Zeugen dieses ganz unerwarteten Ausbruchs wilden, verzweifelten Schmerzes. Sein Kind, das fremde Leute hier begraben hatten? - Dann der späte Ritt in dunkler Nacht - das sonderbare Benehmen jener Frau - dazu daß hier nicht alles war, wie es sein sollte, unterlag wohl keinem Zweifel. Die Bewohner Australiens sind jedoch an solche außergewöhnlichen Familienszenen zu sehr gewöhnt, als daß sie noch einer jeden nachforschen würden. Selbst das Geheimnisvolle der Abstammung von mehr als drei Viertel der damaligen Einwohner trug viel dazu bei, ein verschlossenes Wesen bei vielen zu entschuldigen und vor unbequemen Fragen zu bewahren. Schweigend blickten deshalb die Männer auf den Unglücklichen nieder, der das Grab seines Kindes mit seinen Tränen netzte. Tolmer dagegen, der sein Pferd am Zügel genommen hatte, faßte des Alten Arm und ließ sich von diesem, während er mit ihm langsam dem Hause zuschritt, die ihnen vorausgeeilten Fremden näher bezeichnen.
    Bald blieb ihm auch nicht der geringste Zweifel mehr, daß es wirklich jener sogenannte Kapitän Howitt mit der unglückseligen, verblendeten Frau seines armen Reisegefährten gewesen war. Der Mann war, des Alten Aussage nach, sehr geeilt und hatte die Station gleich wieder verlassen wollen, sobald nur das arme kleine Ding, das ihnen am Wege gestorben, eben unter die Erde gebracht worden war. Die Frau aber hatte sich geweigert, ihm so rasch zu folgen, und er hatte sie

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