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Alle jagen John Mulligan

Alle jagen John Mulligan

Titel: Alle jagen John Mulligan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Gerstäcker
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Schlucht zu nähern. Dadurch machte er allerdings nur langsamen Fortschritt, und erst nach etwa halbstündigem Marsch entdeckte er gerade unter sich das Dach einer Rindenhütte.
    Dies mußte jedenfalls das von dem alten Siedler bezeichnete erste Haus der Bande sein, gewissermaßen ihr Vorposten in den Bergen, und eine volle Stunde blieb er hier ruhig auf der Lauer liegen, ob er in der Nähe irgendein menschliches Wesen entdecken könne. - Es war nichts zu erkennen. Kein Rauch stieg aus oder neben dem Haus empor; kein Laut unterbrach die Totenstille um ihn her, das Kreischen eines Schwarmes weißer Kakadus abgerechnet, die das Tal herunterkamen und in die Wipfel der höchsten Bäume weiter unten wieder einfielen.
    Jedenfalls mußte die Ankunft des Führers die ganze Bande oben in ihrem Lager versammelt haben, wo aller Wahrscheinlichkeit nach das Wichtigste ihrer Pläne verhandelt wurde. - Wenn er sich dort als Zeuge hätte einschmuggeln können! - Mit dem Gedanken war auch der kühne Schritt beschlossen, und Tolmer, dem Furcht völlig fremd war, glitt von der steilen Wand herab, umging das Haus und wollte eben am Bach hinauf seinen Weg weiter verfolgen, als er plötzlich dicht vor sich Stimmen hörte.
    Ein kleines Gebüsch verdeckte ihn allerdings für den Augenblick, kamen die Männer aber näher, so mußten sie ihn dort, wo er gerade auf einer ziemlich offenen Stelle stand, entdecken. Nur wenige Schritte von sich entfernt bemerkte er eine Kasuarine, deren untere Äste er leicht mit der Hand erreichen konnte. Rasch war sein Entschluß gefaßt - und wenige Sekunden später verbarg ihn der dichte Wipfel des Baumes. Von dort aus konnte er auch, selbst ungesehen, am leichtesten die Bewegungen der Feinde beobachten sowie sich später wieder unbemerkt zurückziehen, wenn das nötig werden sollte.
    Kaum zwei Minuten hatte er seinen versteckten Sitz eingenommen, als die ersten Buschranger auf dem offenen Platz erschienen. Vorn ging Howitt - der berüchtigte Gentleman John - mit Rotkopf, seinem ersten Leutnant, und hinter diesen folgten etwa sechzehn oder achtzehn wild und verzweifelt genug aussehende Gestalten, fast alle mit Musketen, einige sogar mit Doppelflinten und Büchsen bewaffnet. Die beiden ersten waren in eifrigem Gespräch begriffen, das aber nicht eben freundlich geführt schien. So kalt und ruhig Gentleman John dabei blieb, so heftig schien Rotkopf etwas zu bekämpfen, ohne daß Tolmer bis jetzt mehr als einzelne abgerissene Worte davon verstehen konnte.
    »Genug - genug, Rotkopf«, sagte da der Führer, gerade als sie die kleine Lichtung unterhalb des Baumes, auf dem Tolmer saß, erreicht hatten. »Es bleibt bei dem, was ich gesagt habe, und ich glaube, ich habe mich Euch bis jetzt als treuer Freund und Führer genug gezeigt, daß Ihr mir auch in dieser Sache vertrauen könnt. Acht von Euch, die Ihr durch das Los oder durch freie Wahl bestimmen müßt, folgen mir jetzt, die übrigen bleiben unter Rotkopfs Führung noch einige Tage hier, bis die Ausrüstung des Schoners beendet ist. Haben wir alles klar, so mögen sie draußen Verdacht schöpfen, wie sie wollen, es ist dann zu spät. Geschähe das jetzt, so wäre unser aller Leben, unser aller Freiheit gefährdet, und ich will nicht bis jetzt mit allen nur erdenklichen Aufopferungen das Äußerste gewagt haben, um im letzten Augenblick vor der Entscheidung unseren Rettungsplan scheitern zu sehen. Wen von Euch bestimmt Ihr also, mir jetzt gleich zu folgen? Wen bestimmt Ihr dazu, Rotkopf?«
    Er war, noch während er sprach, kaum fünf Schritte von der Kasuarine, die seinen gefährlichen Feind versteckt hielt, stehengeblieben, und die Leute, untereinander beratend, sammelten sich um ihn.
    »Mir gleich«, rief da Rotkopf, indem er sich, dem Baum gerade gegenüber, auf den Boden und sein Gewehr neben sich auf das Laub warf, »wenn ich meinen Willen nicht haben soll, dann macht's, wie Ihr wollt.«
    Sein Blick haftete gedankenlos und mürrisch, wie er so sprach, an dem Wipfel der Kasuarine, und Tolmer durfte kein Glied rühren, wenn er sich nicht verraten wollte.
    »Es bleibt sich auch gleich«, sagte da Gentleman John, »denn die übrigen folgen ja doch in wenigen Tagen. Keiner von uns mag zurückbleiben, wo es gilt, dies verwünschte Land auf immer zu verlassen. Ist es Euch also recht, so wähl ich mir die, die ich jetzt bei mir haben will, selbst aus, und Ihr werdet es begreiflich finden, daß ich mir dazu die nehme, die jetzt am anständigsten und am wenigsten

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