Alle lieben Merry
etwas kein zweites Mal passieren würde. Wenn er Cooper das nächste Mal zu fassen bekäme, würde er sich, wenn es sein musste, auf den Jungen draufsetzen, um irgendwie herauszukriegen, was ihn bedrückte.
Im Moment allerdings stand ihm ein anderes Problem bevor.
Ein Tanzabend für Sechstklässler. Du lieber Himmel. Aber er hatte verstanden, warum seine Söhne wollten, dass er hinging. Die Jungs hatten ein verdammt gutes Herz. Kicker war ein bisschen ungestüm und impulsiv, Coop wiederum zu verschlossen, und beide waren manchmal wahnsinnig dickköpfig. Aber sie waren wirklich gutherzig.
Außerdem saß er schon in der Falle.
Und es gab Schlimmeres … als ein paar Stunden mit Merry zu verbringen.
Ein paar Minuten später betrat er die Schule. Um besser Luft zu bekommen, zerrte er an seinem Hemdkragen. Die Kinder hatten versucht, die Turnhalle in einen Partyraum zu verwandeln, was natürlich nicht gelungen war. Eine Turnhalle bleibt eine Turnhalle. Aber immerhin leuchteten rote Lampen an der dunklen Decke. Rot, weil Valentinstag war. Ein Vater hatte die Rolle des DJs übernommen und legte Musik mit gar nicht üblem hämmernden Rhythmus auf. Auf einem Tisch stand eine große Punschschüssel, auf einem anderen waren Kekse und verschiedene Süßigkeiten vorbereitet. An der Wand lehnten wie aufgefädelt und festgeklebt ein paar Kinder, die sich hüteten, auf die Tanzfläche zu gehen und angestarrt zu werden.
Jack zerrte wieder an seinem Kragen und versuchte – nun, da sich seine Augen an das valentinrote Licht gewöhnt hatten – sich ein Bild von der Lage zu machen. In diesem Alter waren die meisten Mädchen größer als die Jungs.
Falls
sie also tanzten, hatte der Junge die Brust des Mädchens direkt vor Augen. Wenn es eine Brust hatte. Eher unwahrscheinlich bei Elf- oder Zwölfjährigen.
Er sah Charlene nicht sofort – nicht wegen des gedämpften Lichts, sondern weil er instinktiv die Menge nach Merry abgesucht hatte. Sobald er sie entdeckte, war er wie hypnotisiert und seine Füße bewegten sich in ihre Richtung.
Verdammt, sagte sein Herz. Und sein Kopf.
Für gewöhnlich kleidete sie sich … nun, er wusste nicht, wie sie sich kleidete. Wie Merry eben, nahm er an. Flippige Oberteile mit fantasievollen Mustern und weitem Ausschnitt, Schmuck, der mitwippte, wenn sie sich bewegte, und Hosen, die ihren Po gut zur Geltung brachten. Heute Abend nicht. Er vermutete, dass sie versuchte, wie eine Mutter auszusehen, die bei einer Schulveranstaltung mithalf. Sie trug einen schlichten schwarzen Rollkragenpulli und einen Rock, der über die Knie ging. Ihr volles Haar wurde hinten mit einer Art Clip zusammengehalten.
Sie stand bei einem der Tische und legte Plätzchen auf ein Tablett. Eine andere Mutter fragte sie gerade, ob sie dem Fundraisingkomitee beitreten würde. Die Treffen wären jeden zweiten Montag. Mit Frühstück. Es gehe um den Schülertennisclub. Eine schöne Sache, um sich zu engagieren.
“Ich würde sehr gerne mitmachen”, sagte Merry. “Aber montags bin ich schon in der Schule, weil man mich gebeten hat, bei der Lernbetreuung mitzuarbeiten …”
“Aber unsere Treffen sind früh. Sehr früh. Bevor der Unterricht beginnt.”
“Na ja, früh aufzustehen macht mir nichts aus, aber es geht darum, dass ich Charlene zur Schule fahre, und …” Und dann sah sie ihn. Ihr Gesicht leuchtete auf. Das Lächeln war strahlender als der hellste Sonnenschein. “Nein”, sagte sie. “Du gehst sofort wieder nach Hause.”
“Bitte?”, sagte die Dame neben ihr, aber Merry marschierte schon um den Tisch herum und direkt auf Jack zu.
“Ich kann nicht leugnen, dass ich mich darüber freue, dass du da bist. Das tue ich. Aber im Ernst, Jack, du brauchst das nicht zu machen. Ich hatte keine Ahnung, wie schlimm es hier ist.”
“Willst du damit sagen, dass etwas mit den Keksen nicht stimmt?”
“Ich will sagen, dass ich meinem ärgsten Feind nicht zumuten würde, mir hier beizustehen. Um die Wahrheit zu sagen, ich habe mich auf dich gefreut – aber das war vorher. Jetzt weiß ich erst, was hier abgeht. Und ich würde mich nie von den Schuldgefühlen erholen, wenn du glaubst, du müsstest bleiben.”
Sie sah so teuflisch gut aus, dass es ihm den Atem raubte. Zwar trug sie nicht ihre flippigen Klamotten, aber der rote Lippenstift und die dunkel geschminkten Augen waren unglaublich sexy. Bei Parfums kannte er sich eigentlich nicht aus und hatte meistens den Eindruck, dass die Frauen zu viel davon nahmen. Aber
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