Alle lieben Peter
sagte ich. »Wenn der Schnee noch höher wird, werden wir keins mehr holen können.«
Das war natürlich nur ein Vorwand. In Wirklichkeit wollte ich einfach sehen, was es da oben gab. Wir zogen uns Schaftstiefel an und stampften los. Der Schnee ging schon bis zu den Knien. Die drei waren erst drauflos getobt, aber nach ein paar Sprüngen reichte ihnen der Schnee bis über den Rücken. Sie standen verdutzt. Dann kehrten sie um und trotteten hinter mir her. Vorneweg ging nun ich als Schrittmacher, in der Rinne hinter mir Peter, Weffi und Cocki, zum Schluß Frauchen, die fortgesetzt behauptete, es sei doch viel einfacher, auf der Landstraße zu gehen, wo schon der Schneepflug durchgefahren war.
Aber ich wollte nicht klein beigeben, obwohl mir sehr bald der Schweiß herunterlief und die Schenkel weh taten. Als wir die erste Felsterrasse hinter uns hatten, ging es sich leichter. Der Schnee wurde dünner, weil der Sturm ihn da oben weggeblasen hatte. Die ganze Welt um uns war ein Zauberreich. Die Latschenkiefern und die jungen Tannen hatten sich dicke weiße Handschuhe angezogen und alle erdenklichen Formen von Schneehüten auf den Kopf gesetzt. Manche sahen aus wie spitze Zwergenhüte, andere wie Barette, wieder andere wie Federhüte: die reine Wintermodenschau! Unter uns sickerte der schneeverschüttete Bach durch die Schlucht. Die Hunde waren hinuntergeklettert. Cocki und Weffi waren in dem Eisgeglitzer kaum noch zu unterscheiden. Nur das schwarze Peterchen konnten wir erkennen, wie es unten am Bach entlangkraxelte und sich ab und zu schüttelte, wenn eine Tanne ihre Schneelast auf ihn ablud.
»Laß uns doch mal auf den Vorsprung da gehen«, meinte die Gefährtin, »vielleicht sehen wir von dort besser, wo die beiden anderen sind.«
Der Vorsprung war eine schöne Kuppe mit ganz glattem Schnee, der in tausend Diamantfarben sprühte. Im Augenblick jedoch, als sie ihren Fuß daraufsetzen wollte, schrie unten Peter gellend! Ich hatte ihn nur einmal so schreien hören, als wir ihn aus der Kiste befreiten. Jetzt stand er da am Bachrand, die Vorderfüße auf den Fels gestemmt, den Kopf zu uns heraufgereckt, und schrie, herzzerreißend, in namenloser Angst. Wir sahen uns an — da war doch was nicht in Ordnung!
»Schnell«, sagte ich, drehte mich um und rannte zurück. Frauchen folgte. Wir schlidderten die Felsen hinunter, indem wir uns einfach aufs Hinterteil setzten und mit den Händen an Baumwurzeln festhielten. Endlich waren wir unten. Aber es war nichts! Peter war gar nicht, wie ich befürchtet hatte, irgendwo eingeklemmt oder hatte sich gar etwas gebrochen. Er kam uns entgegen, sprang an uns hoch, leckte unsere Hände, schien außer sich vor Glück, uns bei sich zu haben.
»Na, du bist ja gut, Peterle«, sagte Frauchen. »Holst uns hier ‘runter, und dann ist gar nichts! Was war denn los?«
Sein Kopf ging nach oben, er zog unseren Blick mit dem seinen nach.
»Merkwürdig«, sagte ich. »Was er wohl hat? Was ist denn da oben, du kleines, dummes Schaf? Da ist doch gar nichts!«
Aber dann sah ich es plötzlich. Das, worauf wir treten wollten, die schöne glatte Kuppe, war ein Schneebrett, das über dem Abgrund hing. Zwischen zwei verkrüppelten Tannen hatte es sich gebildet, die ihre Schlangenhälse weit über den Fels hinaushängten. Wäre Frauchen oder auch ich daraufgetreten, so wären wir beide in den Abgrund gestürzt, würden hier unten irgendwo liegen — bei Peterle.
Wir sahen uns schweigend an, und jeder fand, daß das Gesicht des anderen in der Farbe sich nicht sehr viel vom Schnee unterschied. Ich nahm Peterle hoch und küßte ihn auf sein nasses Köpfchen: »Danke schön!«
»Ich auch!« sagte Frauchen und küßte ihn ebenfalls. Dann gingen wir schweigend und in Gedanken heim.
Und dann kam eines Tages der Weihnachtsbaum, am nächsten Tag die Glaskugeln, das Lametta und die Gans, die wir in den >Eisschrank< legten. Unser Eisschrank war das Badezimmer, das nur ein einfaches Fenster hatte. Die Hunde waren mindestens so aufgeregt wie wir. Weffi fraß Lametta und übergab sich auf den Teppich. Kaum war es weggewischt, fraß er schon wieder Lametta. Die Mama schimpfte.
»Nimm’s ihm nicht übel«, sagte ich, »er ist ein Augentier.«
»Er ist ein Hammel!« erklärte sie.
Er sah von einem zum anderen, als habe er es verstanden. Dann blickte er sich unruhig nach den beiden anderen um und verschwand in Richtung Badezimmer.
»Was machen die denn da?« fragte die Mama. »Sieh doch mal nach!«
Ich ging
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