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Alle lieben Peter

Alle lieben Peter

Titel: Alle lieben Peter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Bentz
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die ganze Weihnachtsschüssel, ihr Lümmels! Na, da hast du auch — schling nicht so, Peter. Noch was? Macht nichts, wenn euch übel wird. Dafür ist Weihnachten. Außerdem ist mir auch schon übel.«
    Dann setzten wir uns noch in die Ecke ans Radio. Ich machte meine frisch geschenkte Cognacflasche auf, und wir gingen ihr zu Leibe. Die Gefährtin seufzte: »Voriges Jahr, da waren wir noch im großen Haus und ahnten nichts.«
    »Möchtest du es eintauschen gegen dieses hier?« fragte ich.
    Sie schwieg und schien sich nicht ganz einig, was sie sagen sollte.
    »Ich möchte nicht tauschen!« erklärte die Mama kategorisch. »Außerdem müssen wir dankbar sein.«
    »Ja«, sagte ich, »das müssen wir!«
    Frauchen nickte und streichelte Peterchens Kopf: »Auch du mußt dankbar sein, Peterle! Denke mal —wenn du noch bei Tante Helene wärst!«
    »Wir müssen auch Tante Helene dankbar sein«, sagte die Mama. »Sie ist ein guter Mensch und wollte uns helfen.«
    »Sie hat uns geholfen«, sagte ich, »und deshalb wollen wir auf sie trinken!«
    Frauchen hob das Glas: »Trotz der Kiste, in die sie unser Peterle steckte!«
    »Von euren Trinksprüchen hat sie nichts«, erklärte die Mama, »schreibt ihr lieber einen Brief.«
    »Gut«, sagte ich, »machen wir — morgen.«
    Die Affenaugen Peters sahen uns der Reihe nach ernst an. Dann gingen sie über uns hinweg, weiteten sich zu zwei Sonnen und starrten in die dunkle Ecke des Weihnachtszimmers. In diesem Augenblick spürte ich, daß dieses kleine Leben da wie auf Schienen lief. Es kam aus dem Dunkel und rollte einem Ziel zu, das sein eigenes war, ganz sein eigenes.
    Die Mama gähnte, dann stieß sie mich in die Seite: »Red nicht soviel, Moltke, es ist ja nicht auszuhalten!« Sie gähnte wieder: »Die alte Henne flattert jetzt auf die Stange!«
    Auch Frauchen gähnte: »Wir sollten morgen irgendeinen Ausflug machen, daß man mal was anderes sieht.«
    »Schön«, sagte ich, »machen wir! Schlaft wohl, alle miteinand! Und — war’s denn nun einigermaßen schön?«
    »Sehr schön!« kam das Doppelecho zurück.

    Als ich allein war, zog ich mein Messer heraus, schnitt zwei große Zweige vom Tannenbaum, hängte reichlich Lametta drüber und schlich mich dann mit ihnen hinunter. Gerade als ich aus der Haustür trat, kam die Stimme der Mama von oben: »Was machst du denn da!?«
    Ich blickte hoch: der Schloßgeist im Nachthemd, rechts und links von ihr zwängten sich drei Hundeköpfe durchs Fenster. Die drei schienen einen Moment zu zaudern, ob sie mit mir kommen oder sich weiter von der Mama füttern lassen sollten.
    »Ach — ich weiß, was du willst!« sagte die Mama, und wie sie da so auf mich heruntergrinste, konnte ich sie mir lebhaft als dreizehn- oder vierzehnjährige Göre vorstellen.
    »Behalte den Zoo oben«, sagte ich, »den kann ich jetzt nicht gebrauchen!« Dann nahm ich Kurs auf die Garage.
    Der Weg war schon wieder bis zum Knie zugeschneit. Ich mußte erst schaufeln, damit ich die Tür aufbekam. Von drinnen blinkte mir >Prächtig< entgegen. Ich klemmte ihm den einen Zweig hinter das Kühlergitter und klopfte ihm die Haube: »Dank dir schön, >Prächtig<, daß du uns überall hingeschleppt und schließlich hierhergebracht hast! Du warst wirklich mein gutes Omen!« Ich steckte den anderen Zweig dazu: »Und das hier ist für Muckelchen! Es ist für dich gestorben, vergiß das nicht! Ich werde dich auch nie vergessen, mein Muckelchen!«

    Silvester kam. Es war alte Tradition bei mir, den Beginn des neuen Jahres mit der Explosion des größtmöglichen Kanonenschlags zu begrüßen. Ich ging deshalb mit den dreien ins Städtchen, um ihn zu kaufen. Dort war gewaltiger Betrieb, die >Krone< von mindestens hundert Autos umzingelt, Sportfexe und Schihaserl in allen Ausführungen. Ich traf den Arzt, einen früh ergrauten Endvierziger asketischen Aussehens, der das übrige Jahr hindurch meist in seinem Garten arbeitete, wenn nicht mal eine Entbindung oder ein beim Mähen angeschnittener Körperteil dazwischen kamen. Jetzt strahlte er, und seine Augen leuchteten vor Saisongier: »Stellen Sie sich vor: allein heute morgen vier Bein- und zwei Armbrüche! Laufen Sie auch Schi?«
    »Eben deshalb nicht.«
    In zwei Lebensmittelgeschäften stauten sich die Menschen, als ob es was geschenkt gäbe. Sie kauften Gänseleberpastete und Sekt wie ich meine Frühstückssemmeln an der Bahnhaltestelle. Auch zahlreiche Hunde wimmelten herum. Pudel mit langen Hosen, Sealhams, die mit ihren Stummelbeinen

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