Alle lieben Peter
ganz schnell weg, denn die Lunte ist verflixt kurz!«
Ich verbrauchte mit zitternder Hand zehn Streichhölzer. Das elfte zündete. Ich drehte mich um: »Komm Peter!« schrie ich. »Schnell!« — und raste weg. Zwölf Schritte bis zum Haus.
Peter? Ach — da war er ja. Ich starrte auf die Stelle, wo der Kanonenschlag lag. Jetzt müßte es ja längst soweit sein. Nichts. Neben mir öffnete sich das Fenster. Frauchens Kopf erschien. »Na, wann geht’s denn los?«
»Hätte längst losgehen müssen!«
»Vielleicht ist die Lunte ausgegangen.«
»Vielleicht.«
»Wo ist denn Peter?«
Peter? Ich sah seine Gestalt undeutlich neben meinem rechten Fuß. Er lag im Schnee und knabberte in der Gegend seiner Vorderpfoten herum. Dann stand er auf, trat in den Lichtschein aus dem Fenster und warf mir das, woran geknabbert hatte, vor die Füße! »Wuff!« sagte er ermunternd. Ich beugte mich herunter: es war — der Kanonenschlag!
»Peter«, stammelte ich entsetzt, »wenn der losgegangen wäre!«
Er machte Männchen. Neben Frauchens Kopf erschien der der Mama: »Um Gottes willen! Ich hab’s ja immer gesagt!«
Ich reichte mit der Hand ins Fenster: »Gebt mir mal schnell die Cognacflasche!« Dann packte ich Peter am Kragen, hob ihn ins Zimmer, nahm meinen Kanonenschlag, säuberte ihn vom Schnee und überlegte.
»Schmeiß bloß das gräßliche Ding weg!« sagte die Gefährtin.
»Nein!« erklärte ich mit der Hartnäckigkeit des ziemlich Angesäuselten. »Wenn das nicht knallt, haben wir kein Glück im neuen Jahr. Gebt mir mal Papier.«
Von drinnen erklärte man, daß man mir kein Papier geben wolle.
»Außerdem sollst du nicht kokeln«, beharrte die Mama. »Kleine Jungs, die kokeln, machen nachher ins Bett.«
»Dann hole ich’s mir eben selber!« sagte ich wütend, ging auf die To, rollte die halbe Rolle ab, packte meinen Kanonenschlag darin ein, ging damit zum Zaun und zündete das Ganze an.
Der Donnerschlag war wirklich prächtig. Noch prächtiger aber war das Echo, das unvermutet durch die Nacht von den Bergen widerhallte. Die ungeheuren Berge warfen es zwischen sich hin und her, bis es schließlich nach Österreich hin in den Schluchten erstarb. Es war mir, als habe die Natur mein Opfer angenommen.
Dann fielen mir Cocki und Weffi ein. Wo steckten die bloß? Ich holte mir die Taschenlampe und leuchtete im Schnee umher. Da sah ich Cockis breite Tatzenabdrücke, die zur Garage führten. Die Tür stand halb offen. Ich fand die beiden in >Prächtig<. Sie waren durch das offene Fenster ‘reingekrochen, und der Lack wies ein interessantes Kratzmuster auf. Innen lag der Dicke mürrisch auf dem Hintersitz, seine Augen reflektierten goldtopasfarben. Neben ihm, hoch aufgerichtet, saß das Holzpferd und wackelte mit den Hosen. Beide hatten die Schnauzen auf und hechelten. Ich küßte sie auf die Schnuten: »Prost Neujahr! Und nun seid nicht so albern, es knallt ja nicht mehr!«
Ich nahm das Papp-Pferd auf den Arm und stieg aus: »Komm, Dicker, es gibt Fresserchen, Schokolade, Oma hat Schokolade!«
Er rührte sich nicht. Ich streckte die Hand aus, er fauchte.
»Aber du kannst doch nicht die Nacht über im Wagen bleiben, du erfrierst ja!« Ich mußte die Leine holen und ihn daran aus dem Wagen zerren. Drinnen kassierte Cocki die Schokolade, warf einen scheelen Blick auf die zweite Sektflasche und verkroch sich dann nebenan unter meiner Couch. Peterle ging wieder an die Sektpfütze und leckte sie auf. Dann setzte er sich vors Radio, warf den Kopf in den Nacken und sang mit. Weffi saß mit schlotternden Hosen auf Mamas Schoß. Wir zündeten, da der Dicke ja nicht dabei war, noch einmal die Kerzen an, dann gähnten wir alle der Reihe ‘rum, pusteten nach einer Weile die Kerzen wieder aus und gingen zu Bett.
So hatte das Jahr doch noch gut geendet, und was dazwischen lag, war nur noch wie ein böser Traum.
6
Im Januar ging der Winter zur Großoffensive über. Es heulte, fauchte, brüllte und schüttete Schnee rund um das Haus herum, drei Tage und drei Nächte lang, ohne aufzuhören. Am ersten Tage hatte ich mich noch ins Städtchen gekämpft und allerhand Eßwaren zusammengeholt. Am zweiten Morgen bekam ich schon die Türen nicht mehr auf und mußte aus dem Fenster kriechen, was nicht besonders schwer war, da der Schnee genau bis zu den unteren Fensterbrettern reichte. Draußen aber stand ich bis zur Brust drin. Ich hangelte mich mühsam bis zur Haustür, wo ich nach längerem Gewühle im Schnee Schaufel und Schieber fand
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