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Alle lieben Peter

Alle lieben Peter

Titel: Alle lieben Peter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Bentz
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habe was gehört.«
    Wir horchten. Und dann hörten wir es: ein ganz merkwürdiges Geräusch, ein heiseres Röhren und Quietschen.
    »Komisch!« sagte die Mama. »Was kann das sein?«
    »Wird ein Fensterladen im Wind sein«, sagte ich.
    »Nein«, meinte Frauchen, »seid doch mal ruhig!«
    Wieder dieses Röhren. Oder war es nicht eher ein Röcheln, ein Ächzen? Ich stand auf und ging zur Tür. Und da lag Cocki! Oder vielmehr das, was von ihm übrig war, ein zerfetztes, röchelndes Bündel. Von ihm weg ins Freie führte eine Blutspur, die von den beiden anderen aufgeregt beschnüffelt wurde. Dann rannten sie wieder zu ihm hin und berochen ihn, und dann legte sich Peter neben ihn auf die Hinterkeulen, hob den Kopf und stieß ein seltsames Heulen aus. Es lief mir kalt über den Rücken. Ich kannte diesen Ton. Er hatte ihn schon einmal vor Jahren hervorgebracht, als Cocki auf den Tod erkrankt war. Ich drehte mich um: »Schnell!«
    Die Mama stand da, die Hände vor dem Mund: »Um Gottes willen — er stirbt!«
    Frauchen rannte schon nach Verbandzeug.
    »Mach schnell Wasser heiß!« sagte ich zur Mama. Ich fühlte, wie sich in meinem Innern etwas verschloß. Der übergroße Schmerz kapselte sich ein. Es war ganz leer und hart in mir, als ich mich niederbeugte und vorsichtig den kleinen Löwen aufhob. Sein Rücken war ein einziger Blutmatsch, die dicken Pfoten baumelten jämmerlich herunter, auch aus seiner Schnauze rann Blut. Er stöhnte, als ich ihn anhob.
    Die nächste Stunde waren wir damit beschäftigt, zu säubern, Haare wegzuschneiden und Blut zu stillen. Er hatte mehr als zwanzig schwere Bisse und war buchstäblich zerfetzt worden. Zwei Tage lang kämpfen wir um sein Leben, zwei Tage und zwei Nächte, und während dieser ganzen Zeit wich Peterle nicht von seiner Seite. Wann immer er konnte, leckte er ihm die Wunden, winselte leise vor sich hin, als ob er es sei, der die Schmerzen hatte. Des Nachts drängte er sich an ihn, als wolle er ihn mit seinem Körper wärmen. Er fauchte Weffi an, wenn der an dem kranken Löwen schnuppern wollte.
    Am dritten Tage endlich stand Cocki auf. Er taumelte zwar und fiel gleich wieder hin, aber es war doch wenigstens das erste Lebenszeichen. Er soff Milch und fraß am Abend etwas Schabefleisch. Und dann, ganz allmählich, ging es aufwärts. In seine Augen, die ganz matt und flach gewesen waren, kam wieder Feuer. Sein Zahnfleisch färbte sich dunkel. Die Hitze aus der Nase verschwand.
    Draußen waren noch immer strahlende Tage. Mittags schien die Sonne unglaublich heiß, aber sobald sie hinter den eisgepanzerten Riesentürmen versunken war, stürzte sich der Frost auf uns. Er stieg aus der Erde, er wallte aus dem Bach, er senkte sich aus der millionenfach schimmernden Sternenpracht nieder, streng und hart und königlich, als wisse er, daß er die paar trügerischen warmen Mittagssonnenstrahlen nachzuholen habe. Unter diesem Wechsel der Temperatur begannen rings um das Häuschen die Eiszapfen zu wachsen. Erst bekam die meterhohe Schneedecke auf dem Dach rundherum eine lustige gezackte Silberborte. Dann wurden aus den Zacken Dolche, dann Lanzen, die zur Erde niederstießen, und schließlich bohrten sie sich als arm- und schenkeldicke Säulen in den Bodenschnee. Zwischen ihnen und der Hauswand entstand so rings um das Häuschen eine Wandelhalle.
    Wenn ich aus der Stadt kam und die Sonne auf das Häuschen schien, war es nun wirklich eine Zauberschachtel. Die Riesenberge ringsum, der millionenfach sprühende und schillernde Schnee in seiner weißen Jungfräulichkeit, darin das kleine Kästchen, von strahlenden Silbersäulen vergittert, mit dem qualmenden Schornstein obendrauf. Ein Märchen der Wirklichkeit.
    Wenn ich dann näher kam, sah ich sie alle drei vor dem Haus zwischen den Eiszapfen sitzen. Sie mußten nämlich jetzt zu Haus bleiben, wenn ich in die Stadt ging, weil der kleine Löwe noch nicht richtig laufen konnte und sich so grämte, wenn man ihn zurückließ.
    Übrigens hatte mich in der Stadt eine Frau angesprochen. Sie wohnte in einem Haus, das zum Sägewerk gehörte: »Ach, grüß Gott!« hatte sie gesagt. »Wie geht es Ihrem Hund? Dem mit den langen Ohren? Ist er tot?«
    Ich blieb erstaunt stehen: »Der Cocki? Nein — aber woher wissen Sie?«
    Sie trat an mich heran, sah sich um und flüsterte dann: »Ich hab’s gesehen! Ich wohne da hinten in dem kleinen Häuschen am Sägewerk, wissen Sie. Aber verraten Sie mich nicht, sonst liefert uns der Wildgruber, der wo die Säge hat,

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