Alle lieben Peter
Augen und rannte an mir vorbei.
Ich blieb mit Peterle allein. Er sah zu mir auf mit den Augen des alten jüdischen Propheten und zitterte. Dann klemmte er das Schwänzchen ein und steckte mir den Kopf zwischen die Knie.
»Jetzt fang du auch noch an!« sagte ich wütend. Er zog den Kopf aus meinen Knien, richtete sich an mir hoch, seine kleinen schwarzen Krallen kratzten meinen Overall. Er weinte. Ich beugte mich hinunter und küßte ihn auf die Rußnase: »Na ja, eines Tages werden wir wieder ein Häuschen haben und einen Garten.«
Ich richtete mich auf. Meine Augen gingen durch den Garten. Oben in den Apfelbäumen hingen noch ein paar Rotbacken, die Mathilde und ich nicht erwischt hatten. Diese letzten Äpfel hatte ich sonst immer mit Steinen heruntergeworfen, und Peter hatte sie mir angeschleppt, und wir hatten Ball damit gespielt. Diesmal würden sie wohl oben bleiben. Drüben die jetzt leeren Himbeersträucher, die ich selbst gepflanzt hatte. Der Wasserhahn am Bassin, der seit sieben Jahren repariert werden sollte und noch immer tropfte. Man hätte einfach eine Gummischeibe... aber dazu war es jetzt auch zu spät.
»Komm«, sagte ich zu Peterle, »wir gehen in die Garage.« Er trippelte neben mir her, rannte schnell zum Bassin und schlappte ein paar durstige Züge aus dem schwarz funkelnden Wasser, auf dem sich ein paar erste gelbe Herbstblätter um sich selber drehten. Als ich an den Fenstern des großen Zimmers vorbeikam, hörte ich von drinnen Hammerschläge — als ob man einen Sarg zunagelte. Peterchen war schon wieder neben mir. Er hatte sich einen Zweig mitgebracht und warf ihn mir vor die Füße: »Bißchen spielen, vielleicht wird uns dann besser!« Ich warf ihm den Zweig, er rannte hinterher, ließ ihn aber schon auf dem halben Rückweg aus der Schnauze fallen. »Hat keinen Zweck«, sagten seine Augen.
Jetzt waren wir in der Garage. Schauerlich leer — eine Gruft. Beklemmend deutlich sah ich wieder Muckelchen vor mir, das zerschlagene, zerbeulte Muckelchen, das da irgendwo im Winkel einer Reparaturwerkstatt lag, bis die Versicherungen sich untereinander über die Schadenszahlung ausgerauft hatten.
Hier bei uns war jetzt nur noch ein dunkler Ölfleck auf dem Betonboden. Immer hatte die eine Manschette an der Hinterachse durchgelassen. Gerade wollte ich sie erneuern lassen. Aber auch das war jetzt nicht mehr nötig. Peterle roch mit hochgezogenem Vorderbein an der Öllache und sah mich dann jammervoll an. Ja — was wollte ich eigentlich hier? Ach so, da waren also noch ein Wagenheber, die alten Felgen, eine Reservezündspule, Signalhorn und ein Reifen mit dem halben Profil drauf. Zusammenpacken und verkaufen: zwanzig, dreißig Mark würde ich schon noch dafür bekommen.
Der Kies der Einfahrt knirschte. Etwas Breites, Schwarzes, silbern Blinkendes schob sich herein: Pauls Kabriolett. Nanu!? Josef, der Chauffeur, stieg aus und grüßte freundlich. Im gleichen Augenblick ertönten Cockis wildes Gebell und Weffis Trompete. An seinen Kniekehlen vorbei stürzten sie in den Wagen, so daß der gute Josef beinahe umfiel. Auf der anderen Seite stieg Paul aus, unter seinem Arm durch flog Peter in den Wagen.
»Da schau«, sagte Paul, »ich denke, der war mit beim Unfall?«
Wir schüttelten uns die Hand. »Ja«, sagte ich, »es ist merkwürdig, vor Personenwagen hat er keine Angst, nur vor Lastwagen. Als so einer gestern die Kisten brachte, hat er sich verkrochen. Es sind wohl besonders die großen Räder, vor denen er sich fürchtet.«
Ich klopfte Pauls Wagen auf die lange Haube. Es war ein schweres Kabriolett, das er sich vor drei Jahren nach eigenen Angaben hatte bauen lassen, mit Klimaanlage, Radio, drei Fanfaren, vielen Aschenbechern und ähnlichem Schnokes. Besonders stolz war Paul auf die Vordersitze, die man mit einem Hebelzug zurückklappen und damit den Wagen in eine Doppelcouch verwandeln konnte.
»Ja, wenn man Junggeselle ist«, hatte die Gefährtin spitz bemerkt, als er es ihr vorführte.
»Goldkind, benimm dich!« hatte Paul augenzwinkernd gesagt.
»Ich meine ja nur den Preis, den Preis, den sie dir dafür abgenommen haben!«
»Ach so.«
Ich löste meine Hand seufzend von dem Prachtstück: »Schöner Kerl!« Wir gingen beide in die Garage. Paul sah sich um: »Scheußlich leer hier. Vermißt Peterle eigentlich das Muckelchen?«
»Ja. Er hatte eben noch ganz traurig an der Ölpfütze gerochen. Du hättest ihn sehen sollen.«
»Nichts von der Versicherung gehört?«
»Gehört schon.
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